Herr Minister Gröhe, werden Sie endlich tätig!

Gesundheitsministerium im Schlafmodus

Wer in den letzten Jahren die Zustände im Gesundheitswesen, die Meldungen über Krankenhäuser, Geburtsabteilungen, Keimbelastung, Hebammen und Pflegekräfte verfolgt hat, fragt sich, warum der dafür Verantwortliche, Gesundheitsminister Hermann Gröhe, nicht im Dauerrundschlagrhythmus tätig ist. Gleichzeitig wundert man sich über die Bürger des Landes, die scheinbar unberührt von verheerenden Zuständen im Land Ruhe bewahren und das Wort Barrikaden scheinbar aus ihrem Wortschatz gestrichen haben. Die Einzigen, die fast in der Stille und unbemerkt kämpfen, sind die vielen im Gesundheitsbereich Tätigen sowie die Kranken und Betroffenen, die diese in Deutschland vorherrschenden Zustände ertragen müssen.

Zustände in Pflegeheimen

Obwohl die Bewertungen für deutsche Pflegeheime alle zwischen gut und sehr gut liegen, überhört man nicht die Horrorgeschichten, die von Angehörigen der Heimbewohner oft zutage gefördert werden. Journalisten des gemeinnützigen Recherchebüros CORRECT!V haben sich die Daten zu rund 13.000 Pflegeheimen in Deutschland vorgenommen und neu bewertet. Nach deren Bewertung gibt es in 60% der Heime zu bemängelnde Zustände, die vorrangig die Pflege der Patienten betreffen. Besondere Mängel traten auf bei der Versorgung mit Nahrung, bei der Schmerzbehandlung und in der Vorsorge für Bettlägerige, damit diese sich nicht wund liegen.

Wer sollte in dieser Republik mehr Anerkennung abschöpfen als der Mensch, welcher sich um alte und kranke Menschen kümmert und die Ausbildung zum Altenpfleger oder Krankenpfleger absolviert hat? Es grenzt an Arroganz, diesem Berufsbild nicht von Anfang an größere Aufmerksamkeit geschenkt zu haben und Pflege sowie Krankenstationen nicht schon längst mit einem höheren Lohn und Besetzungsspiegel ausgerüstet zu haben. Eine Schmerzklinik klebt in der Nacht einen Zettel an die Stationstür mit dem Hinweis „Nachtschwester in Station x“, was bedeutet, dass es eine Nachtschwester für zwei Stationen gibt. Im Pflegeheim verstirbt ein alleinstehender Patient, ohne das Besucherehepaar, das sich mit regelmäßigen Besuchen sehen ließ und um Benachrichtigung bat, über den Tod zu informieren. Eine in der Ausbildung befindliche Altenpflegerin bedient die Magensonde eines Insassen. Der ist danach tot und niemand kann sich von dem Toten verabschieden, weil der Sarg sofort geschlossen werden muss.
Über Zustände zu berichten ist für Pfleger eine gefährliche Angelegenheit so wie auch Lehrern die Verpflichtung obliegt, über Interna Stillschweigen zu bewahren. Und doch haben Zustände zuweilen dafür gesorgt, dass man die Angst überwandt und öffentlich um Hilfe rief.
Die jetzt verabschiedete Reform der Pflegeausbildung, bei der eine zweijährige Ausbildung für Kranken-, Kinderkranken- und Altenpfleger als Basis für alle vorgesehen ist, ließ Gröhe als Nebelkerze steigen. Danach sollen die angehenden Pfleger die allgemeine Ausbildung entweder fortsetzen, oder sich im letzten Jahr als Alten- oder Kinderkrankenpfleger spezialisieren können.  Von besserer Bezahlung ist nicht die Rede, von Aufwertung des Pflegeberufs ist allerdings die Rede, verstehe das, wer wolle. Sollte sich in der über sechs Jahre geplanten Testphase mehr als die Hälfte der Auszubildenden für die allgemeine Ausbildung entscheiden, könnten die Spezialausbildungen abgeschafft werden. Diese Reform sei ein Kompromiss, wie es heißt. Sie ist der Versuch des Herumhantierens ohne deutlich dafür in den Finanztopf greifen zu wollen.

Das unnütze Sterben in deutschen Krankenhäusern

Der Journalist Klaus Brandt hat in einem Protokoll einer Recherche, veröffentlicht im Essener Klartext-Verlag über Krankenhäuser in NRW auf über 400 Seiten das Thema „Keimzelle Krankenhaus“ bearbeitet und über Killerbakterien wie MRSA und VRE berichtet, die für den Tod und die Verstümmelung vieler Patienten verantwortlich sind. Erschütternde Beschreibungen mit entsprechenden Fotos der inzwischen Verstorbenen machen wütend und werfen die Frage auf, was die Niederlande, Großbritannien und Skandinavien eigentlich besser machen. „Der Blick nach Holland, das hierzulande stets als Goldstandard der Keimbekämpfung zitiert wird, zeigt: Während es im vergleichbar großen Nordrhein-Westfalen 430 Akutkrankenhäuser mit Intensivstationen gibt, wo besonders viele multiresistente Keime auftreten, haben die Niederlande nur 99 solcher Kliniken. NRW hat auch dreimal mehr Krankenhausbetten pro tausend Einwohner als Holland. Dafür gibt es an Rhein und Ruhr jedoch nur ein Drittel so viele Krankenhaushygieniker wie in niederländischen Häusern. Und nur zehn Prozent der deutschen Kliniken haben überhaupt einen hauptamtlichen Hygieniker.“
„Infizierte Patienten werden in Holland intensiv betreut und behandelt – auch durch klinische Mikrobiologen und Infektiologen. Ein Antibiotika-Team, intern „A-Team“ genannt, schwärmt immer dann ungefragt auf eine Station aus, wenn dort ein Patient länger als 48 Stunden mit Antibiotika behandelt wird … Den optimalen Schutz gibt es nur mit optimalem Personalschlüssel. In den Niederlanden sind an jeder Klinik hauptamtliche Krankenhaushygieniker und Mikrobiologen vorgeschrieben. In Deutschland ist das erst in Krankenhäusern ab 400 Betten der Fall. Und während in Deutschland eigene mikrobiologische Labors an städtischen Kliniken nicht die Regel sind, dürfen in den Niederlanden Kliniken keine Intensivstation betreiben, wenn sie kein eigenes solches Labor vorweisen können … In Holland werden alle ausländischen Patienten außer aus Skandinavien und Island gescreent. Denn alle anderen Länder gelten als MRSA-Risikogebiete. Auch und besonders Deutschland.“ (SWR-Odysso)

Krankenhausinsolvenzen und Kreißsaalschließungen

Das Krankenhaussterben in Deutschland ist in vollem Gange und strukturschwache Gegenden haben das Nachsehen. Ein Viertel aller Krankenhäuser wird voraussichtlich bis 2020 vom Markt verschwunden sein. 15 Prozent der Kliniken stehen bundesweit vor dem wirtschaftlichen Aus. Unternehmen, die unrentabel sind, gehen eben in den Konkurs – und Krankenhäuser sind nur noch Unternehmen. Wie heißt in Deutschland die Lösung? Privatisierung! Der Marktanteil der Privatkliniken hat sich, bezogen auf die Betten, im vergangenen Jahrzehnt nahezu verdoppelt. 2010 betrug er schon 15,9 Prozent, der von kommunalen Krankenhäusern schrumpfte auf 49,7 Prozent; den Rest betreiben Kirchen und Wohlfahrtsverbände. Bei der Privatisierung von Krankenhäusern ist Deutschland Weltmeister. Helios, Rhön, Asklepios und Sana haben drei Viertel des privaten Krankenhausmarkts im Griff.
Patientenferne Dienste sind so gut wie überall ausgelagert: Logistik, Reinigung, Küche – und wer in letzter Zeit einmal im Krankenhaus war, kann zu den Punkten Reinigung und Küche sicher Erstaunliches beitragen. Auch zum Thema Hygiene empfiehlt es sich, das oben schon erwähnte Protokoll „Keimzelle Krankenhaus“ zu lesen. Da werden Keime nicht beseitigt, sondern verteilt. Wen wundert’s, dass eine Putzfirma, die billige Arbeitskräfte ins Krankenhaus schickt, vorab keine Hygienelehrgänge veranstaltet, sondern eher darauf bedacht ist, dass möglichst viele Zimmer in möglichst kurzer Zeit geputzt werden (das Wort säubern vermeide ich hier bewusst).

Aber zurück zu den Krankenhausschließungen, die nicht allein für Unverständnis sorgen. Die Schließung von Geburtsabteilungen in den noch vorhandenen Kliniken lässt werdende Eltern ratlos zurück. Geburten sind für ein Krankenhaus nicht mehr wirtschaftlich. Die Gewinnmaximierung hat nun auch beim Kinderkriegen Einzug gehalten. Die Dekadenz dieser Gesellschaft mit dem Hinweisschild über dem Klinikportal „Bei uns keine Geburten“ bestätigt Thilo Sarrazins These exakt. „Deutschland schafft sich ab“. Als nicht hilfreich beurteilte Merkel derzeit Sarrazins Buch. Als skandalös beurteile ich die Zustände in der deutschen Gesundheitspolitik, zu vertreten von Merkel und Gröhe.

Antibiotikaherstellung ohne Hygienekontrollen

Über einen weiteren Skandal im Gesundheitswesen des Dornröschenschlaf-Ministeriums habe ich schon berichtet. Nach Schätzungen werden mittlerweile mindestens 80 bis 90 Prozent aller Antibiotika in China und Indien hergestellt. Nach den Recherchen von NDR, WDR und „SZ“ beziehen fast alle großen Pharmakonzerne in Deutschland Antibiotika und Pilzmittel aus Hyderabad. Aber alle lehnten Interviews zu dem Thema ab. Und sie wissen auch warum. Die Dezimierung der Menschheit ist in vollem Gange. Wer nicht an einer Krankheit stirbt, darf an Medikamenten und Keimen das Zeitliche segnen.

Lösungen

Es gibt Lösungen für die hier beklagten Zustände, denn es gibt Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, Zustände aufzudecken, neue Ideen zu entwickeln und auch auszuprobieren. Gegen den Pharmariesen allerdings wird der Einzelne scheitern. Die Politik ist gefordert, aber aus Schlaftabletten sind keine Aufputschmittel herzustellen. Um dieses Land, seine Menschen und die Verantwortlichen aus ihrem Wohlfühlschlaf zu holen und unsere Friede-Freude-Eierkuchen-Kanzlerin so fest zu schütteln, dass sie zu agieren beginnt, muss wohl erst eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes geschehen, von der ich glaube, dass sie schon in vollem Gange ist.
Dieses Land, diese Welt braucht Macher, Visionäre und Sehende, die den Schnellzug in die Katastrophen stoppen und aufhören, alles, aber auch alles unter dem Gesichtspunkt des Wachstums und der Wirtschaftlichkeit zu betrachten.

„Es gibt doch eine ganze Latte politischer Halbleichen bis Leichen, die hier auf Kabinettsposten herummodern.“
Joschka Fischer (über das Bundeskabinett 1985)

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