Freie Abgeordnete im Käfig voller Narren
Beitrag von Barbara Erdmann und Kurt Rohmert
Im bisherigen Verlauf der Corona Krise überzeugte nicht ein Argument. Dramatisches Ergebnis nach einem Jahr: Erfolglosigkeit auf ganzer Linie. Deshalb musste ein neues Gesetzeswerk her. Merkels Handlungsmuster: Um ihren Machtanspruch zu sichern, braucht sie weder Begründungen noch belastbare Zahlen. Es reichen der Bundesregierung willfährige Minister und gefügige Volksvertreter, um mittels Notverordnung jegliche Zwangsmaßnahmen gegen (nicht für) das Volk zu erwirken.
Die Abstimmung
Am Mittwoch waren zur Debatte und Abstimmung immerhin 656 Mitglieder des Bundestags erschienen. Der Gesetzesentwurf wurde von CDU und SPD eingereicht. Von der CDU stimmten 207 mit JA, von der SPD 135. Bei der CDU regt sich was, immerhin 21 Parlamentarier hatten Bauchschmerzen und widersetzten sich Merkel. Bei der SPD wagten es nur 2. Ganz klar dagegen votierten die komplette FDP, Die Linke und natürlich die AfD. Auch die anwesenden fraktionslosen Abgeordneten waren dagegen.
Leider zeigen 64 Enthaltungen entweder eine fehlende Meinung oder bieten sich bereits der nächsten grünen Koalition an. Denn 56 Enthaltungen kamen von den Grünen. 53 Mitglieder fehlten bei der Abstimmung. Damit gilt das 4. Bevölkerungsschutzgesetz als beschlossen. Am Donnerstag war auch der Bundesrat einverstanden. Es tritt in Kraft, wenn der Bundespräsident unterschrieben hat, woran wir nicht zweifeln.
Mit der Annahme des Gesetzesentwurfs werden dem Bund zusätzliche Handlungsmöglichkeiten (u. a. Ausgangssperre) gegeben und zwar ab einer Überschreitung des umstrittenen Inzidenzwertes von 100 innerhalb von 3 Tagen. Dies Gesetz ist bis Ende Juni 2021 befristet.
Die Debatte
Die Vertreter der Koalition warben um Zustimmung zu der Novelle. Doch es ist die Bevölkerung, die diese kaum nachvollziehbaren Maßnahmen hinnehmen muss. Gewiss, es ist bedauerlich, dass Menschen an Covid verstorben sind. Aber sowohl Scholz wie auch Brinkhaus wollen weiter die restlichen 99% dafür in Haftung nehmen. Dieses Gesetz, so behauptet Brinkhaus, beweise: „Nie war soviel Demokratie in der Pandemiebekämpfung.“ Weil, und das ist abstrus, der Bundestag „darf“ heute abstimmen. Zu einem Gesetz, dass Brücken baut? Und daher mahnt er an: „Schützen Sie Leben. Stimmen Sie zu.“
Es wundert uns schon, wenn die Bedenken der FDP aus der 1.Lesung von Brinkhaus als „ Profilierung auf Kosten von Toten und Kranken “ dahingestellt werden. Gauland greift diesen Satz auf und wertet es als Moralisieren. Recht hat er, denn „hier ist jede sachliche Debatte zu Ende“. Eigentlich hätten wir uns diese sachliche Debatte gewünscht. Auch das, was Scholz anregt „Das, was wir jetzt brauchen, sind Klarheit und Konsequenz“ ändert daran nichts. Neben den genannten Platitüden gibt es dann doch noch was, was sich lohnt zu erwähnen. Nicht die Redner aus dem Lager derer, die schon länger lamentieren, sondern die aus dem Lager der Fraktionslosen.
Bedauerlicherweise finden diese in den Medien kaum Erwähnung, manche wissen gar nicht, dass es sie gibt. Erstaunlich, denn gerade diese schaffen es immer wieder, in zwei Minuten exakt das zu sagen, was wesentlich ist. Sie nutzen das eingeschränkte Rederecht im Plenum zu ihrem Vorteil, es geht nur um die Sache. Ich meine Frauke Petry und Mario Mieruch.
Letzerer ist dem BürgerTisch Gladbeck/Bottrop/Kirchhellen noch gut bekannt durch seinen Besuch im Februar 2019. Wir schätzen gerade die Rede von Mario Mieruch so gelungen ein, dass wir sie hier komplett veröffentlichen:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„ Folgt der Wissenschaft! “, hören wir seit über einem Jahr – aus Sicht der Regierung, aber offensichtlich nur der ihr genehmen. Denn die andere Hälfte der am Freitag gehörten Sachverständigen sieht in diesem Gesetzentwurf ein so massives Problem, dass zwei von ihnen sogar damit rechnen, dass das gesamte Gesetz vom Verfassungsgericht kassiert wird. Herr Brinkhaus, ich möchte Sie fragen: Welche Brücken haben Sie denn gebaut, die Sie vorhin angekündigt haben?
Wieder gibt es keine Begründung, warum der Bund es besser können soll als die Länder. Und obwohl es unmissverständliche Aussagen zum Gefährdungspotenzial innen und außen gibt, wollen Sie jetzt eine Testpflicht für einen Zoobesuch oder für Sport im Freien für die Begleitperson. Sie wollen sie nicht fürs Einkaufen, nicht für das Spazierengehen im Park, und auch für die heutige Sitzung hier im Saal, der gut besucht ist, war keine Testpflicht erforderlich.
Ich frage Sie: Wo ist das Gefährdungspotenzial höher, gerade hier oder wenn die Familie allein im Freigehege im Zoo steht? Erklären Sie mir das. Bei den zahlreichen Einschränkungen von Grundrechten haben Sie doch im Entwurf glatt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vergessen. Also, zack, fix mit einschränken. Ebenso die unternehmerische Freiheit: einfach abwürgen. Wenn Kinder- und Jugendärzte sagen: „Schulen sind nicht die Hotspots“, ist Ihre Reaktion: Zahl runter, 165, gewürfelt.
Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter rügt diesen Entwurf. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft befürchtet keinen Zusammenbruch – obwohl die Lage schwierig ist; keine Frage. Sie wissen das alles; diese Stellungnahmen liegen Ihnen vor. Sie gibt es schwarz auf weiß. Jetzt wollen Sie Tests mit CE-Zertifizierung anerkennen. Das ist prima. Das Ministerium Spahn weiß, dass man bei Material aus Asien schnell mal eben mit 20 Prozent Ausschuss kalkulieren muss. Und jeder, der schon mal im echten Leben industrielle Waren von dort bezogen hat, weiß, dass nicht unbedingt überall, wo CE draufsteht, CE drin ist.
Und jetzt nehmen Sie Ihre Inzidenzen, an den Sie alles festmachen, stellen das diesen Unwägbarkeiten gegenüber und fragen sich, was das alles noch wert ist! Ich sage es ganz deutlich: Wer heute für dieses Papier abstimmt, dem muss die Hand abfallen. Geben Sie Ihr Mandat beim Rausgehen am besten gleich ab. Denn Sie wollen es ja anscheinend nicht wahrnehmen. Enthalten ist heute auch feige. Die Lage ist ernst; keine Frage. Aber wir sind als Volksvertreter aufgerufen, die Verfassung zu schützen und sie nicht entgegen besserem Wissen und trotz aller fundierten Warnungen zu brechen. Vielen Dank.
Kein schöner Tag
Dieses Gesetz ist ein Signal. Frauke Petry (Rede am 18.11.2020) nannte es treffend „ Entmündigungsgesetz “ und ergänzte am Mittwoch „ Dies ist kein Gesetz für das Leben, dies ist die Fortsetzung einer chaotischen Regierungsführung seit über einem Jahr! “
Für die Bundesregierung ist es noch mehr Macht. Vorbei an den Ländern, vorbei am Parlament. Obwohl viele Parlamentarier die Mängel erkennen, ist es wieder der Tag der Loyalität. Nicht des Gewissens, dem man (ausschließlich) verpflichtet ist. Im Grundgesetz steht nichts von Loyalität. Schon gar nicht von Gehorsam. So setzt Merkel ein Gesetz durch, das erkennbar verfassungswidrig ist, dafür aber weitgehend nutzlos. Alternativlosigkeit heißt jetzt „Notstand“. Weitere Notstände sind denkbar. Argumente braucht man nicht, ein manipulierbarer Grenzwert reicht schon.
Fraktionslose wie Mieruch sitzen auf den Hinterbänken im Plenarsaal, wenig wahrgenommen, bei Abstimmungen per Handzeichen schon mal übersehen. Der Weg, den er gegangen ist, zeugt von Mut. Er ist ihn ganz bewusst gegangen. „Das war vor allem eine Frage der Glaubwürdigkeit für mich“. Beide (Petry und Mieruch) mischen sich gern ein, einziges Mittel sind ihre Reden. Dieses Recht nutzen sie gern. Hinter den Kulissen der übrigen Fraktionen kommt daher Unmut auf, weil beide das Rederecht häufig und sehr aktiv nutzen. Auch das Präsidium bemüht sich gern, den freien Abgeordneten keine öffentlichkeitswirksame Bühne zu bieten.
Für Abgeordnete gilt, sie sind per Grundgesetz „Vertreter vom Volk“. Sie entscheiden selbst. Sie arbeiten nach ihrem Gewissen. Sie entscheiden, was sie für richtig halten. Die meisten Abgeordneten haben das nicht verstanden. Oder wollen es nicht. Schön, dass es Ausnahmen gibt.
Zur Person:
Mario Mieruch ist seit 2017 fraktionsloses Mitglied des Deutschen Bundestages, hat seinen Lebensmittelpunkt vom Münsterland nach Brandenburg verlagert, ist 2020 den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) beigetreten, wo er ihren Landesvorsitz für Brandenburg übernommen hat. Zusätzlich bekleidet er das Amt des Generalsekretärs. Das Programm der LKR ist aktuell in der Phase der Abstimmung. 1000 Mitglieder verteilen sich derzeit in allen Landesverbänden. Weitere Informationen sind auf der Seite www.lkr.de zu finden.
Es geht nicht um Gesundheit!
Dieses „Bevölkerungsschutzgesetz“ legte nicht nur die Axt an einen Grundpfeiler der BRD, indem es den Föderalismus abschaffte; es wurde als der „Größte Staatsstreich seit Kriegsende“ bezeichnet (Rechtsanwältin Beate Bahner), was sie insbesondere am neuen § 28b des Infektionsschutzgesetzes fest machte. „Es wird nicht nur der Föderalismus aufgehoben, nein, sie können sogar eure Wohnungstür eintreten, euch ohnmächtig prügeln, in ein Impfzentrum verschleppen und eine Nadel rein rammen! Dies ist Diktatur pur, wie sie im Buche steht.“ So der Kommentar eines Facebooknutzers, der die eigentliche Gefahr treffend widergibt. „Der neu geplante § 28b gehe weit über das Kriegsrecht hinaus, erklärt Rechtsanwältin Beate Bahner. Es sei der ‘größte Staatsstreich seit Kriegsende‘ und die ‘Beendigung aller Freiheiten, die komplette Vernichtung der Rechte und die endgültige Beseitigung der Demokratie.‘ “ Und es bedeutet auch das praktische Ende unseres Grundgesetzes. (Anmerkung: Juristisch war unser Grundgesetz ohnehin bereits am 17.07.1990 aufgehoben worden durch Löschung dessen Geltungsbereiches, Artikel 23. Ohne Geltungsbereich ist ein Gesetz nichtig. )
Hallo ihr Lieben,
Leider hat die AfD einen Fehler gemacht, da sie eine namentliche Abstimmung gefordert hat. Somit konnte Mitdenker in den Altparteien nicht dagegen stimmen,
da sie mit Konsequenzen rechnen mussten.
Stimmt. Dennoch: es gab immerhin 23 NEIN-Stimmen aus der Regierungskoalition CDU/CSU/SPD. Desweiteren: 250 NEIN-Stimmen durch AfD, FDP, Linke, B90/Grüne und Fraktionslose.