Appelle und Manifeste für eine offene Debattenkultur
Schon im letzten Jahr veröffentlichten Milosz Matuschek & Gunnar Kaiser einen Appell für Freie Debattenräume. Unter den Unterzeichnern befanden sich der Publizist Hamed Abdel-Samad, der Arzt Sucharit Bhagdi, der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, der Fernsehmoderator Peter Hahne, die Buchautorin Birgit Kelle, der Wirtschaftspublizist Markus Krall, die Publizistin Vera Lengsfeld, die Kabarettisten Dieter Nuhr und Andreas Rebers, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palme, der Journalist Boris Reitschuster.
Appell für Freie Debattenräume
Die Initiatoren sind der Publizist Milosz Matuschek und der Schriftsteller Gunnar Kaiser, die eine Lanze brechen für das freie Sprechen und Denken, welche in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben sind und für die Spaltung der Gesellschaft gesorgt haben. „Ohne freie Debatten und freie Rede gibt es keine funktionierende Demokratie“, heißt es im Appell für freie Debattenräume und ohne zu widersprechen, darf gefragt werden, was wohl zuerst da war, das Huhn oder das Ei, heißt: Wurde nicht zuerst der Totengesang der Demokratie im Parlament aufgeführt und hat dann das Volk erreicht? Hat nicht erst die Einheitspartei eine Einheitsmeinung kreiert, die jede Debatte erst überflüssig, dann die andere Meinung strafbar machte?
Für mich kommt dieser Appell zwar Jahre zu spät, dennoch ist „spät“ besser als „nie“. Wegen der Verspätung aber war die Wirkung der angstneurotischen Nation ja dann auch entsprechend. Der Deutschlandfunk lud niemanden der Unterzeichner ein, sondern einen „Experten“, der den Appell für überzogen hielt. Die Süddeutsche Zeitung hielt die Unterzeichner für „bekannte Köpfe der rechtskonservativen Infosphäre, zu deren Beruf es gehört, hinter jeder Ecke politische Korrektheit und Moralterror zu vermuten und sich umstellt fühlt von linksradikaler Gesinnungsinquisition“.
Was in diesem Land gerade geschieht, ist ein ideologischer Krieg. Es geht nicht mehr um Arm und Reich, um Jung und Alt, um Mehrheit und Minderheit, um christlich und muslimisch … es geht um den Sieg eines linken Meinungsterrors über den Konservativismus, deren Vertreter mit Begriffen wie Rechter, Aluhutträger, Reichsbürger, Querdenker, Wutbürger, Nazi in den großen Topf der zu Bekämpfenden geworfen wurden. Dieser Appell ist ein sprachlich großartiger Versuch, zusammenzuführen, was zusammen gehört, nämlich Diskussion, Debatte, Toleranz in einem Land, das sich demokratisch nennen will und die Meinungsfreiheit im Grundgesetz stehen hat. Dass dieser Appell an den „Letter on Justice and Open Debate“ erinnert, der im Juli im US-Magazin Harper’s erschien und eine Debatte über Cancel Culture lostrat, ist der traurige Beweis, dass die Transformation a la Klaus Schwab den gesamten kapitalistischen Westen infiziert hat und dieselben Krankheitssymptome vorweist.
Europäisches Manifest
Um nicht so zu tun, als wäre das Thema nicht existent, hat der Europarat Ende 2020 ein Manifest zur Freiheit der Meinungsäußerung in Kunst und Kultur im Digitalzeitalter herausgegeben. In dem Manifest wird die Bedeutung des künstlerischen Schaffens und der Kulturindustrie für die demokratische Gesellschaft hervorgehoben und auf den Schutz der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks verwiesen, der in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Meinungsäußerungsfreiheit bedeutet auch Schaffensfreiheit.
„Die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks zunehmendem Druck ausgesetzt. Mehr und mehr Künstlerinnen und Künstler, Fachleute und Kulturschaffende, die auf Probleme verweisen, unbequeme Wahrheiten aussprechen und Verstecktes sichtbar machen, werden unter Druck gesetzt und sind mit Zensur, Einschüchterung und Schikanierung konfrontiert. Das Manifest lenkt das Augenmerk auf diese Gefahren und sendet das klare politische Signal aus, dass Offenheit und Kreativität als unerlässliche Bestandteile unserer Demokratie geschützt werden müssen“, formulierte die Generalsekretärin des Europarates Marija Pejčinović Burić.
Wie schön, dürfte der Künstler da denken, dass endlich auch Europa die Systemrelevanz der Kunst und Kultur zum Thema macht und nicht genug der Ehre für die Freiheit der Kunst und Kultur…
Manifest der offenen Gesellschaft
… Im März folgte nun noch ein Manifest der offenen Gesellschaft, das eine Handvoll Intellektueller auf den Weg brachte. Die Journalistin Franziska Augstein sagte dazu: „Ich bin nicht die Einzige, die das Gefühl hat, dass man sich nicht frei äußern kann. Das liegt – leider – nicht zuletzt an der Bundesregierung, die alles getan hat, jene zu unterstützen, die panisch sind, die glauben, Corona sei so etwas wie die Pest und die deswegen jeden als Corona-Leugner verleumden, der oder die sich anmaßt zu sagen, dass die Maßnahmen gegen die Pandemie nicht verhältnismäßig seien.“
Verantwortlich dafür zeichnen die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, der Historiker Jürgen Overhoff, der Philisoph Markus Gabriel, die Historikerin Hedwig Richter und der Publizist René Schlott.
Nichts anderes als der Appell für freie Debattenräume fordern auch hier die Initiatoren und Unterstützer eine Rückkehr zur freien Rede und zum Freien Denken. Doch in diesem Manifest heißt es zusätzlich: „Vor allem dürfen wir nicht den Verschwörungsfanatikern, Extremisten und Demokratiefeinden das Feld überlassen, wenn es um die kritische Bestandsaufnahme und das konstruktive Hinterfragen der Corona-Maßnahmen geht.“
Wie kann man ein Plädoyer für mehr Meinungsvielfalt verfassen und bereits im zweiten Absatz Ausgrenzung betreiben? Zudem nicht klar definiert wird, was genau die Initiatoren überhaupt unter den populistischen Schlagwörtern „Verschwörungsfanatiker, Extremisten und Demokratiefeinde“ verstehen.
Der Schlagwort-Erfindungsreichtum der „Ausgeschlossenen“ und „Abgelehnten“ kennt ja inzwischen keine Grenzen. So hätte hier auch stattdessen stehen können „Aluhutträger“, „Querdenker“ und „Rechtsradikale“ sowie „AfD“. Es muss aber eigentlich gar nicht mehr explizit da stehen. Die Distanzierung steht doch schon immer fest – und als Regierungskritiker fragt man sich ständig, wohin man selber verortet würde, wäre man eine Person der Öffentlichkeit.
Die Filmregisseurin Caroline Link befindet: „Demokratie funktioniert nur, wenn jeder Einzelne grundsätzlich anerkennt, dass auch die Meinung von Andersdenkenden gehört werden muss. Unsere Welt ist kompliziert. Ein friedlicher Austausch von Standpunkten, auch außerhalb der eigenen Blase, schützt vor Radikalisierung.“
Der Fall Jan Josef Liefers
Liefers, der einer der bekanntesten Unterstützer dieses Manifestes ist: formuliert: „Ein System, das Kunst für nicht systemrelevant erklärt, ist ein System ohne Relevanz. Um Grundrechte dermaßen lange auszusetzen, bedarf es erstklassiger Gründe, die immer wieder der öffentlichen Gegenrede ausgesetzt werden und ihr standhalten müssen.“
Meine Zustimmung hat er. Kann man ihm nun nach dieser Entwicklung, die ich hier aufgezeigt habe, verdenken, dass er das Projekt ≠allesdichtmachen aus der Taufe hob und weitere Kollegen davon überzeugte, dass ihr Projekt die logische Folge sein muss für die in Gang gekommene neue Debatteneröffnung? Konnten die Schauspieler mit einer solchen Reaktion aus Kollegen-, Kultur-, Journalisten- und Intellektuellenkreisen rechnen, nachdem Appelle und Manifeste in Deutschland und Europa ausgerufen worden waren?
Der Karren steckt im Dreck, wie man so sagt und wer hinter die Kulissen der politischen Programme und Zukunftsplanungen schaut, wird wissen, dass wir hier so weit sind wie derzeit die Menschen in der DDR: Grundrechte nur für Systemtreue. Systemtreu ist hier derjenige, der die gewünschte Meinung hat, die Maßnahmen der Regierung befolgt, sich testen und impfen lässt und keine Widerworte gibt. Zur Belohnung erhält er dann Teile seiner Grundrechte zurück, darf Geschäfte und die Gastronomie öffnen und besuchen. Auch die Reisefreiheit rückt in greifbare Nähe.
Ich habe in Polen zu kommunistischer Zeit (1967 bis 1978) Aufenthalte absolviert und von 2006 bis 2013 dort gelebt und gearbeitet. Familie und Freunde haben mich stets um meine Herkunft beneidet. Heute hat sich das Blatt gewendet. Ich beneide meine Familie und Freunde in Polen um ihre Identität und Solidarität.
Hallo,
Ich sehe zur Zeit die zweite Mauer: neudeutsch Second Wall.
Nicht eine lange Steinmauer aus Beton.
Eine Mauer aus Stoffmasken um jeden einzelnen Menschen herum.
Jedes Individuum bekommt eine Sperre für: falsche Meinung, mit oder ohne
Impfung, Test oder Infektion oder Berufstand usw.
Jeder einzelne bekommt seine individuelle Mauer mit entsprechenden Sperren.