Der Triumph der Doppelmoral

 

Freiheitskämpfer leben gefährlich

Ein Beitrag von Kurt Rohmert

Den Fall des nach einer erzwungenen Notlandung in Belarus festgenommenen Aktivisten Protassewitch stufen Politiker sowie Medien hierzulande als „Akt staatlichen Terrorismus“ ein. Ganz anders dagegen die Beurteilung einer exakt gleichen Situation im Jahre 2013. Damals zwangen EU-Staaten entgegen internationaler Vereinbarungen ein Flugzeug in Wien zur Notlandung, um ebenfalls einen Aktivisten festzunehmen. Unterschiedliche Maßstäbe: nicht nur im Flugverkehr, sondern auch bei der Auslegung demokratischer Zustände.

Das Regime in Belarus mit Lukaschenko an der Spitze hat offenbar eine Ryanair Maschine zur Landung in Minsk gezwungen. Ziel war die Verhaftung eines Oppositionellen. Sicher ist, dass der Aktivist in Schwierigkeiten stecken dürfte. Die Ausrede mit einer Bombendrohung für die Landung dürfte frei erfunden sein. Politiker der EU waren wie immer entsetzt, leider aber auch sehr vergesslich.

Zweierlei Maß für Luftpiraterie

Die öffentliche Empörung außerhalb von Belarus über diesen Eingriff in die Regeln der Luftfahrt ist politisch zu verstehen. Aber gehen wir ins Jahr 2013 zurück. Wo blieb damals der Aufschrei der Medien, der Ruf unserer Politiker nach Sanktionen?

Kurze Rückbesinnung: Die Maschine von Boliviens Staatspräsident Morales musste auf ihrem Weg von Moskau statt mit einer Zwischenlandung (für einen Tankstopp) in Lissabon unplanmäßig in Wien landen. Frankreich, Spanien, Italien und Portugal hatten die Überflugrechte verweigert. Genaue Angaben zu den Hintergründen gab es nicht, weder warum der Überflug verweigert noch warum die Maschine in Wien „durchsucht“ wurde. Hatten die Europäer auf Weisung der USA gehandelt?

Das scheint zumindest wahrscheinlich. Denn Morales hatte kurz vorher in einem Interview in Moskau sich positiv zum Asylgesuch von Whistle Blower Snowdon geäußert. So soll der mutmaßliche Hintergrund die Vermutung gewesen sein, der von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstler Edward Snowdon sei an Bord. Was aber nicht der Fall war.

Natürlich teilte Bolivien über diesen Affront kräftig aus, in Richtung USA, aber auch die Europäer nannte der Außenminister Jaua „Lakaien“.  Am Wiener Flughafen fand wahrlich ein seltsames nächtliches Hickhack statt. Auch wer den Auftrag zu einer Durchsuchung gab ist nicht klar. Österreich sprach lediglich von einer Überprüfung der Pässe. Erst gegen Mittag am nächsten Tag startete die Maschine Richtung Heimat.

Was bleibt sind mehrere Fragen in diesem diplomatisch außergewöhnlichen, ja sogar peinlichen Affront. Hatten Portugal, Frankreich und Italien den Überflug verboten? Hatte Spanien die Durchsuchung verlangt? Welche Rolle spielten die USA? Hätte Österreich Snowdon verhaftet, wäre er an Bord gewesen?  Wie war die Rechtfertigung der Europäer auf diese erzwungene Notlandung und wie sieht ein Vergleich mit Belarus aus?

Begründung oder Ausreden

Die öffentliche Empörung über den Eingriff in die Regeln der internationalen Luftfahrt durch den belarussischen Präsidenten Lukaschenko ist das krasse Gegenteil von 2013. Ein Aufschrei von Presse oder Politik blieb damals gänzlich aus. Interessant sind die damaligen Erklärungen, obwohl der Vorfall  ähnlich unglaublich ist.

Allein wegen des Gerüchts oder der Vermutung, der Whistle Blower Snowdon könnte an Bord der Präsidentenmaschine sein, sperrten mehrere EU-Staaten ihren Luftraum.  Auch die Durchsuchung der Maschine erscheint in einem seltsamen Licht, denn für Snowdon lag kein internationaler Haftbefehl vor. Österreich selbst sagt, für eine Durchsuchung habe es auch keine rechtliche Grundlage gegeben, weshalb man es „freiwillige Nachschau“ nannte.

Im aktuellen Fall verurteilten  EU und NATO  die Landung der Ryanair Maschine in Minsk. Speziell das Bündnis NATO meldete sich im militärischen Jargon und nannte es einen  „gefährlichem Vorfall“, so wie es sonst nur bei Luftraumverletzungen üblich ist. Eine internationale Untersuchung wurde gefordert, Sanktionen angeordnet. Für die Bundesrepublik meldete sich Minister Maas und drohte mit „deutlichen Konsequenzen“ für diesen „gravierenden Eingriff in den Luftverkehr“.

Mögliche Interpretationen des Vorfalls sind in den Hoheitsrechten von Staaten zu suchen. So erklärt uns Dr. Tuschhoff von der FU Berlin „Bei Verdacht auf illegale Aktivitäten kann ein Staat von seinen Hoheitsrechten Gebrauch machen.“ Aber trifft dies zu?

Ging wirklich eine Gefahr von Staatspräsident Morales oder Snowdon aus? Auch wenn der aktuelle Fall mit einer zivilen Passagiermaschine inklusive der Verhaftung anders als die erzwungene Notlandung einer Präsidentenmaschine zu bewerten ist, der politische Doppelstandard ist klar ersichtlich, ein Rechtsmissbrauch offensichtlich. Damals gab es zumindest ein Statement der UNO und der südamerikanischen Staaten, dagegen sahen die Europäer keinen Handlungsbedarf. So erklärte am 24.7.2013 das Auswärtige Amt „Die Verweigerung des Überflugs … war weder Gegenstand von Gesprächen … mit der US-Regierung noch … mit europäischen Staaten.“

Foto: Edward Snowdon – screenshot dw.com
Welche Bedeutung hat die Affäre Snowdon?

Die Enthüllungen des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Edward Snowdon lösten im Sommer 2013 die sog. NSA-Affäre aus. Snowdon hatte im Rahmen seiner Tätigkeit als technischer Mitarbeiter Einblicke in die weltweiten Überwachungs- und Spionageaktivitäten von CIA (Central Intelligence Agency, Auslandsgeheimdienst der USA, Nachrichtendienst), NSA (National Security Agency, ebenfalls Auslandsgeheimdienst, Überwachung elektronischer Kommunikation) und DIA (Defence Intelligence Agency, militärischer Geheimdienst, Dachorganisation der Streitkräfte).

Zum Beweis übergab er geheime Dokumente an Journalisten, was unmittelbar eine Anklage wegen Geheimnisverrats zur Folge hatte. Die USA werfen ihm Spionage und Gefährdung der nationalen Sicherheit vor. Snowdon wird per Haftbefehl gesucht, ihn erwartet in den USA eine jahrzehntelange Haftstrafe.

Während seiner aktiven Zeit beim Geheimdienst sah er die ausufernde Massenüberwachung durch die  skrupellosen Geheimdienste. Mit dem Entschluss, mit seinem Wissen über die Spionagepraktiken der USA an die Öffentlichkeit zu gehen, demaskierte er die USA, schrieb er Geschichte und gab sein bisheriges Leben komplett auf. Während seiner Flucht blieb er ungewollt in Moskau hängen und erhielt dort Asyl. Auch die zweifelhafte Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst BND wurde so öffentlich („ Ausspähen unter Freunden … “ Angela Merkel).

Für seine Veröffentlichungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, Asyl dagegen blieb ihm in fast allen Ländern verwehrt. Lediglich Venezuela und Bolivien machten eine Angebot. So lebt er notgedrungen im Exil in Moskau. Daran änderte auch eine Empfehlung des EU-Parlaments nichts, das forderte, alle Vorwürfe gegen ihn fallen zu lassen und ihm Schutz als Menschenrechtler zu gewähren.

Die Architektur der Unterdrückung

Was war sein Motiv? In einem Interview mit der Süddeutschen warnte er vor einer Welt der totalen Überwachung. Snowdon fordert ein Ende der „massenhaften Datensammlung“. Damit meint er nicht nur die Geheimdienste, sondern auch Konzerne wie Facebook oder Google. So sind es besonders Politiker und auch Konzerne, die diese Technologien nutzen, was er für gefährlich hält und was inzwischen zur Wirklichkeit zu werden scheint „In einer Welt der totalen Überwachung … wären alle Menschen Kriminelle“.

Seine Forderungen sind aktueller denn je. Erst kürzlich warnte er im Focus vor einer „Architektur der Unterdrückung. Als Folge der Corona Krise könnten Regierungen die gesammelten Daten und die Überwachungs-Strukturen beibehalten. Schon früher hatte er eine Verbreitung des Autoritarismus (d.h. diktatorische Herrschaftsform) angeprangert, jetzt sieht er eine Welt, in der „Notgesetze wuchern, wir unsere Rechte opfern, … und wir in eine weniger liberale und freie Welt rutschen.“ Es ist wie eine Bestätigung all dessen, was wir gerade feststellen, „Egal wie es genutzt wird, was gerade aufgebaut wird ist eine Architektur der Unterdrückung.“

Ähnlich äußerte sich auch der UN-Sonderbeauftragte Nils Melzer (Sonderberichterstatter für Folter) zum Fall des wikileaks-Gründers Julian Assange. Es sind besonders die wiederholten Mahnungen des Schweizers, dass unser ganzes rechtsstaatliches System in Gefahr sei. So schreibt telepolis „„Unser“ heißt: das des Westens, jener politischen Region der Welt, die zumindest von sich behauptet, dass sie doch die Hüterin der Rechtstaatlichkeit, der Menschenrechte, der Demokratie und nicht zuletzt der freien Presse wäre, und dieses Selbstverständnis auch immer gerne vor sich herträgt.“

Wer den Menschen Edward Snowdon und die Geschichte hinter dem NSA Skandal verstehen will sollte sich unbedingt den Film „Snowdon“ (2016) von Oliver Stone ansehen.

 

 

 

 

 

One Comment on “Der Triumph der Doppelmoral”

  1. Hier eine interessante Sicht auf die Erzwungene Landung in Minsk
    Die Geschichte stinkt!
    MAI 25, 2021
    Von Peter Haisenko
    Die Informationen, wie es zur Landung der Ryan-Air in Minsk kam, sind dünn. Umso ausführlicher das darauf folgende Geschrei gegen Lukaschenko. Eines sollte dabei klar sein: Die Entscheidung, wo gelandet wird, trifft ausschließlich der Kapitän.
    Man sollte sich die Landkarte ansehen. Warum fliegt ein Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen überhaupt über Weißrussland? Möglicherweise weil die Gebühren für den Überflug günstiger sind, als über Polen. Sieht man die Landkarte und den aufgezeichneten Flugweg an, stellt man schnell fest, dass das Flugzeug schon im Anflug auf Vilnius war und nur wenige Flugminuten von der litauischen Grenze entfernt. Von dort flog der Kapitän dann in einer weiten Schleife nach Minsk und zögerte so die Landung um eine knappe halbe Stunde hinaus. Bei einer Bombendrohung kann der Kapitän Luftnotlage erklären und damit steht er über allen Vorschriften. Er darf alles tun und anfordern, was er für nötig hält und es steht ihm jede Unterstützung zu. Dieses eherne Gesetz ist allen Fliegern „heilig“. Auch oder besonders Kampfpiloten. Warum hat sich der Kapitän entschieden, in Minsk zu landen?
    Ein halbwegs erfahrener Kapitän weiß, dass noch niemals eine Bombe an Bord eines Flugzeugs war, das eine Bombendrohung erhalten hat. So sollte man mit Bombendrohungen einigermaßen entspannt umgehen und ich weiß, wovon ich spreche. Wenn also der Kapitän der Ryan-Air nach Absolvieren von bereits mehr als zwei Stunden Flugzeit entschieden hat, sich wegen einer Bombendrohung den zusätzlichen Stress anzutun, einen Flughafen anzufliegen, den er nicht kennt, ist das schon an sich fragwürdig. Noch dazu, weil er mit dieser Aktion länger in der Luft bleiben musste, als unbedingt notwendig. Ach ja, er wurde dazu gezwungen, wird behauptet. Aber das kann nur jemand glauben, der sich mit der Materie nicht auskennt.
    Niemand konnte eine Landung in Minsk erzwingen
    Litauen, Vilnius, gehört zur EU. Auch auf den Flughäfen wird nach westlichen Standards gearbeitet. In Weißrussland, Minsk, eher nicht. Also nochmals: Warum landet der Kapitän in Minsk? Konnte er dazu gezwungen werden? Wie und von wem? Eines kann ich ausschließen: Die Regierung von Weißrussland und deren Luftverkehrskontrolle kann es nicht. Selbst wenn sie ein Kampfflugzeug zur Begleitung geschickt haben sollten, wie behauptet wird, können sie keine Landung in Minsk erzwingen. Um das zu erreichen, müsste mit einem Abschuss gedroht werden und das wird niemand wegen einer Bombendrohung tun. Ebenfalls nicht, um einen Passagier verhaften zu wollen. Weißrussland schon gar nicht, denn da wird besonders genau hingesehen. Folglich war der Kapitän der Ryan-Air entweder ein Schwachkopf oder Teil eines perfiden Plans.
    Wenn wir freundlicherweise davon ausgehen, dass auch in den Cockpits der Ryan-Air keine Schwachköpfe sitzen, dann bleibt nur noch die geplante Aktion übrig. Nachdem bis jetzt alle Versuche gescheitert sind, Weißrussland in den Zustand der Ukraine zu versetzen, inklusive Mordversuchen am Präsident, sollen mit dieser Aktion neue Anlässe geschaffen werden, weitere Sanktionen gegen Weißrussland zu begründen. Wie dabei schon wieder mit doppelten Standards vorgegangen wird, sollte jeder erkennen können, dessen Gedächtnis weiter als drei Wochen reicht. Es gibt genügend Beispiele, wo Flüge vom Westen oder auch der Ukraine zu außerplanmäßigen Landungen gezwungen worden sind. Ohne dass sofort Rufe nach Sanktionen auch nur geflüstert worden wären. Der spektakulärste war wohl der Fall Evo Morales, dem Präsident von Bolivien, 2013. Wer sich nicht daran erinnert, der kann sich hier in einem Spiegel-Artikel kundig machen:
    https://www.spiegel.de/…/morales-flugzeug-in-wien…
    Die Kurzfassung: Das Flugzeug von Evo Morales wurde zur Landung in Wien gezwungen, weil die folgenden Staaten auf der geplanten Route kurzfristig und ohne Begründung die Überflugrechte zurückgezogen hatten. Warum? Es wurde vermutet, von der CIA kolportiert, dass Edward Snowdon mit an Bord sei. Der Staatsfeind Nummer eins der USA. War er aber nicht. Die Reaktionen der Westpresse? Damals hatten die deutschen Medien lediglich von „Aufregung in Südamerika“ geschrieben, sie selbst hielten das wohl für normal. Dabei darf nicht vergessen werden, der Flug von Evo Morales stand unter diplomatischer Immunität. Soviel dazu, wie sich der Wertewesten an Völkerrecht und elementare diplomatische Gepflogenheiten hält. „Freies Geleit“ für diplomatische Emissäre ist eine der ältesten Errungenschaften der zivilisierten Gesellschaft.
    Wer war die Quelle der Bombendrohung?
    Noch ein Beispiel: 2016 zwang die Ukraine eine Maschine Weißrusslands zur Landung in Kiew, sogar ohne Bombenausrede, und holten den regierungskritischen Journalisten Martirosyan aus dem Flugzeug. Darüber herrschte dröhnendes Schweigen in denselben Medien, die sich jetzt überschlagen vor Eifer. Dass der Kapitän in diesem Fall einer Landeaufforderung gehorchte, ist nachvollziehbar. Schließlich war schon damals bekannt, dass es nicht das erste Mal wäre, wenn die Ukraine ein Verkehrsflugzeug abschießt. Siehe MH 17 und andere vorher. Natürlich „aus Versehen“. Es gibt noch mehr Beispiele, etwa die Türkei im Oktober 2012, als ein syrisches Passagierflugzeug auf dem Weg von Moskau nach Damaskus zur Landung in Ankara gezwungen wurde. Man vermutete Waffen an Bord, aber die gab es nicht. Wieder befanden unsere Medien die Vorgänge nicht einmal für berichtenswert. Das sollte man im Gedächtnis behalten, wenn man jetzt den Rummel um die Landung in Minsk bewerten will.
    Zurück zum aktuellen Fall. Selbst nach intensiver Recherche konnte ich keine Informationen darüber finden, wer die Quelle der Bombendrohung war. Ich erachte es als sehr unwahrscheinlich, dass diese in Weißrussland zu finden ist. Es ist eher anzunehmen, dass der Flugkontrolle in Minsk diese Drohung aus einem anderen Land zugestellt worden ist, von wem auch immer, und diese dann pflichtgemäß an die Ryan-Air weitergeleitet wurde. Dass aus diesem Anlass ein Kampfflugzeug aufgestiegen ist, zur Begleitung, entspricht internationalen Standards. Ebenfalls wie im Westen ist man in solchen Fällen froh und dankbar, einen Grund zu haben, ein ziviles Flugzeug auffinden, ansteuern und begleiten zu dürfen. Übungshalber und gegen die Langeweile der Kampfpiloten. Deswegen nochmals: Warum ist der Ryan-Air-Kapitän in Minsk gelandet?
    Die NATO kennt die Wahrheit
    Hätte man ein Interesse an der Wahrheit, wäre es ganz einfach. Man müsste nur den Funkverkehr analysieren und den Voice-Recorder der Ryan-Air. Das gibt Aufschluss über den Ablauf und vor allem darüber, ob der Kampfpilot den Kapitän der Ryan-Air bedroht und so zur Landung veranlasst hat. Der Voice-Recorder steht nicht mehr zur Verfügung, die Aufzeichnungen werden zyklisch gelöscht, aber wir können sicher sein, dass der Funkverkehr von den AWACS-Flugzeugen der NATO aufgezeichnet worden ist. Schließlich tummeln die sich unablässig an der europäischen Ostgrenze. Allerdings werden die das nicht herausgeben, ebenso wenig, wie sie das im Fall der MH 17 getan haben.
    Außerplanmäßige Landungen sind normalerweise unbedingt zu vermeiden
    Ich sehe hier ein Muster. Chodorkowsky und Nawalny. Beide wurden zurück nach Russland geschickt, vom Westen und dessen Geheimdiensten, in dem sicheren Wissen, dass sie dort eine Gefängnisstrafe erwartet. Anschließend konnten beide und können immer noch verwendet werden, Attacken gegen das böse Unrechtsregime Putins zu fahren und fortlaufend nach Gusto Sanktionen zu begründen. Mit der hochgelobten „Oppositionsführerin“ Weißrusslands, Tichanowskaja, hat das nicht funktioniert. Die ist offensichtlich nicht so naiv, für die Interessen des Westens einen jahrelangen Gefängnisaufenthalt zu riskieren. Sie hat sich schlank nach Litauen verabschiedet.
    Da brauchte es wohl jemand anderes, einen weißrussichen „Navalny“, dem allerdings nicht einmal die Wahl gelassen wurde. Der „Blogger“ Protassevich, der mit Haftbefehl gesuchte Weißrusse. Inwieweit der zu Recht auf der Fahndungsliste Weißrusslands steht, wird nicht einmal angedacht. Man bedenke, dass in Deutschland sogar Ausländer auf der Fahndungsliste stehen, wegen „Volksverhetzung“, die es in ihren Heimatländern so nicht gibt.
    Um noch einmal zu verdeutlichen, wie absurd es ist, diese Ryan-Air in Minsk zu landen, beschreibe ich kurz, was das einzig vernünftige Vorgehen gewesen wäre. Man befindet sich im weißrussischen Luftraum, etwa eine halbe Stunde vor der geplanten Landung in Litauen/Vilnius. Da wird eine Bombendrohung mitgeteilt. Unspezifisch, wie üblich. Hat sie einen Zeitzünder oder einen, der auf Druck reagiert? Man weiß es nicht. Wenn es ein Zeitzünder wäre, hätte die Explosion wahrscheinlich schon stattgefunden. Wäre es ein Druckzünder, der auf steigenden Druck im Anflug reagiert, ist es gleichgültig, wo man landet. Dann lieber in einem Land mit westlichen Standards. Und ja, manch einer will so schnell wie möglich landen. Aber warum in Minsk, wo doch die Flugzeit nach Vilnius wesentlich kürzer wäre? Gerade Kapitäne der Ryan-Air sind angehalten, ihren Flugplan möglichst genau einzuhalten, außerplanmäßige Landungen unbedingt zu vermeiden. Und wie gesagt, noch niemals war eine Bombe an Bord, wenn es eine Bombenwarnung gegeben hat.
    Wenn also der Ryan-Air-Kapitän kein Schwachkopf war, dann bleibt nur noch ein perfide geplanter Schachzug gegen Lukaschenko übrig. Für den Kapitän war das gefahrlos, für seinen Passagier nicht. Der Wertewesten hat sein Ziel erreicht, nach einem Jahr abflauenden Interesses an Weißrussland die Sache wieder hochzufahren, um seinem Ziel eines Umsturzes dort näher zu kommen. Und so erkennt man an der unterschiedlichen Berichterstattung der Fälle wieder einmal, was „Haltungsjournalismus“ bedeutet, dem wohl inzwischen die gesamte Qualitätsmedienwelt Deutschlands angehört, nämlich Propaganda. Und zwar Propaganda im Sinne eines transatlantischen Krieges gegen jede Fraternisierung mit „dem Feind“, der nun wieder mal im Osten zu suchen ist. Die Nato lauert nur darauf, mit ihrem Aufmarsch an den Ostgrenzen.

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