Erinnern wir uns!
Heute ist der Holocaust-Gedenktag, an dem die mit Schuld beladenen Deutschen ihr Haupt demütig senken und der 6 Millionen ermordeten Juden gedenken – so wie ich, die ich bis heute immer und immer wieder tief betroffen bin.
Während gestern noch der Super-Demokrat Steinmeier die für Freiheit und Demokratie demonstrierenden Spaziergänger diskreditierte, als Gefährder der Demokratie bezeichnete und sein „Spaltungsprogramm“ gegen Land und Leute weiter perfektionierte, wird er zum Holocaust-Gedenktag seine salbungsvollen Worte in Richtung aller Juden hier und in Israel versenden – oder hat es schon getan. Ich kann mich an keinen Bundespräsidenten erinnern, der wie er mit zwei Zungen zu reden verstand und mehr Porzellan zerbrach als jeder Bundespräsident vor ihm.
Ich möchte heute auch an einen oft vergessenen Genozid erinnern, der von den Tätern bis heute bestritten wird und der vor mehr als 100 Jahren an 1,5 Millionen Armeniern stattfand.
Die türkische Regierung lehnt es bis heute ab, von einem Genozid zu sprechen. Im Rahmen der sogenannten „Lösung des Armenierproblems“ trieben die osmanischen Truppen in den Jahren 1915 und 1916 Hunderttausende Armenier auf endlosen Hungermärschen in die syrische Wüste, zu Tausenden wurden Armenier aus allen Landesteilen zusammengetrieben und hingerichtet.
Etliche Staaten haben den Völkermord an den Armeniern inzwischen offiziell anerkannt. 2016 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Resolution zu „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ – Bundeskanzlerin Merkel sowie der damalige Vizekanzler Sigmar Gabriel und der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier waren der Debatte und der Abstimmung jedoch ferngeblieben.
Begehen wir heute den Internationalen Holocaust-Gedenktag und gedenken all derer, die hingerichtet wurden, und all derer, die Ziel eines Völkermords waren. Ebenso wichtig ist es zu verstehen, wie sich Massenmord im industriellen Maßstab immerzu wiederholen kann, wenn liebevolle Menschen von einem Regime, das sie der Vernichtung für würdig erachtet, auf etwas Untermenschliches reduziert werden. Ebenso erschreckend ist, wie, wer und warum es Mittäter bei dem abscheulichen Akt des Völkermords gibt.
Der Chanson-Sänger Charles Aznavour ist der wohl prominenteste Armenier weltweit. Seine Familie ist multireligiös. Seine Eltern gefährdeten ihr Leben, um während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Paris in ihrer Wohnung Juden und Widerstandskämpfer vor der Gestapo zu verstecken. Und so wuchs Aznavour in Paris unter jüdischen Migranten aus Osteuropa auf und lernte ein wenig deren Sprache und Traditionen.
Die gemeinsame Sprache, aber vor allem das gemeinsame Schicksal – Verfolgungen, Flucht, Diskriminierung als bitterarme Fremde in Paris – schmiedeten diese jüdisch-armenische Verbundenheit. Aznavour sprach Armenisch und schrieb das Lied „Ils sont tombés“ oder „Sie fielen“ im Andenken an die Opfer. Aufgenommen hat er es in der Nacht auf den 24. April 1975, genau 60 Jahre nach der Festnahme der armenischen Elite von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, das in Armenien als Völkermordgedenktag begangen wird.
Bereits vor Jahren regte Aznavour die Errichtung einer armenischen Gedenkstätte zur Erinnerung an den Massenmord an, nach dem Vorbild der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Aznavour: „„Der eine Gott hat verschiedene Namen, so wie ein Künstler: Gott, Allah oder Shiva. Zu kämpfen in Gottes Namen ist eine Sünde. Wenn Gott existiert, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass er jemand auffordert, seinen Freund oder Nachbar umzubringen oder denjenigen, der eine andere Sprache spricht oder einen anderen Gott anbetet. Es ist unmöglich, dass wir einen mörderischen Gott haben, unvorstellbar.“
Sie fielen
Sie verschwanden von der Erde
ohne den Grund zu kennen
Männer, Frauen und ihre Kinder,
die nichts als nur leben wollten.
Sie erzählen
mit versteinerten Seelen
von dem Massaker des Terrors,
in das sie mit ihren erstarrten Augen blickten
auf den Stufen ihrer Kirchen
an den Türen ihrer Häuser.
In Todesmärschen getrieben zu Massen,
vor Durst und Hunger sterbend
verbrannt im Feuer des Unaussprechlichen.
Niemand hat ihre Gebete gehört,
denn Europas Takt war der Jazz.
Die Trompeten übertönten die Schreie der Kinder,
die da fielen ins Schweigen der Menschlichkeit
zu Hunderten, zu Tausenden,
während die Welt zusah.
Sie wurden zu kleinen Wüstenblumen,
erst vom Sand der Zeit bedeckt,
dann im Wind der Geschichte versteckt.
Sie fielen
sehnsuchtsvoll nach Leben und Leidenschaft
wie stürzende Vögel, tot irgendwo,
ignoriert und vergessen,
schlafen sie ihren letzten Schlaf.
Sie fielen,
naiv und unschuldig,
im Glauben an ihre Kinder,
die ihr verlorenes Leben nachholen
in einem Land der Hoffnung mit Menschen,
die ihre Hand nach ihnen ausstrecken würden.
Ich bin ein Mensch von ihnen
die an unbekannten Orten starben
die in ihrem Stolz zugrunde gingen,
deren Blut in Flüsse floss.
Sie gingen in die Nacht
voll Qual und Tränen
und wussten nicht wofür.
Ihr einziges Verbrechen war das Leben
Ihre einzige Schuld war es,
Kinder Armeniens zu sein.
Dieses Video des Liedes von Charles Aznavour enthält zwar grausame Bilder und ist auch für Kinder nicht geeignet, dennoch stelle ich es hier ein, weil jeder Genozid diese wahren Bilder verdient hat.