Wer bin ich und wenn ja, wie viele?
Wer Fragen nach der einfachen, aber auch mehrfachen Identität hat, sollte einmal bei Richard David Precht nachlesen in „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ Vielleicht erhält er dort eine philosophische Antwort auf Fragen nach dem Ich, seiner Identität und seiner Zugehörigkeit.
In der Medizin ist die doppelte Identität ein Krankheitsbild. Und hätte man nach dem Mauerfall unsere ostdeutschen „Einwanderer“ nach ihrer doppelten Identität befragt, wäre uns Wessis klar geworden, wie schwer vielen von ihnen die neue Identitätsfindung gefallen ist. Sie hatten allerdings den Vorteil, dass ihre Fahrt in das westliche Gesellschaftssystem keine Rückfahrkarte enthielt.
Meinungsfreiheit, Reisefreiheit und freie Wahlen halfen mit, eine westliche Identität für erstrebenswert zu halten, denn das hatte es in der DDR nicht gegeben. Dennoch blieben Bereiche, in denen das Leben in der DDR als besser bewertet wird, wie beispielsweise der Zusammenhalt der Menschen untereinander.
Deutsche Staatsangehörigkeit unter türkischer Flagge
Für die Doppelte Staatsbürgerschaft galt bis zum Jahr 2000 das im Staatsangehörigkeitsgesetz geregelte Blutrecht von 1913. Deutscher war, wer einen deutschen Elternteil hatte. Für eine Einbürgerung musste man mindestens 15 Jahre in der Bundesrepublik gelebt haben.
Das glaubte dann die rot-grüne Regierung durch etliche Zusätze erleichtern zu müssen, sich aber erst 2008 darum kümmern zu wollen, dass auch die deutsche Sprache bei der Identifikation und Integration eine Bedeutung erhält.
Verstehe wer wolle, was ein Doppelpass für eine Sinnhaftigkeit hat, wenn doch alle beteuern, große Europäer zu sein. Ich bin Deutsche, Polin oder Türkin, weil ich in besagtem Land geboren bin, was mich nicht hindert, in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten. Das tat ich sieben Jahre lang in Polen, verlor mein Herz an Menschen und Landschaft, kam hingegen nie auf die Idee, einen polnischen Pass zu beantragen. Da der deutsche Staat mit dem Doppelpass auch die „doppelte Wahl“ ermöglicht, ist schon klar, was das Geschenk „Doppelpass“ selbst bei Menschen ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse bezweckte. Wählerstimmen! Die türkischen Männer erhielten mit dem Geschenk einer doppelten Staatsbürgerschaft die Möglichkeit, sich vom türkischen Militärdienst freizukaufen. Die Erlaubnis zur Integration und Assimilation erhielten sie laut Wahlkampfreden ihres Übervaters Erdogan allerdings nicht. Ihm reichte es, wenn seine Landsleute die Staatsangehörigkeit der Länder annahmen, um eine starke Lobby für die Türkei zu bilden und die türkische Fahne zu schwenken.
Wer also glaubt, der Doppelpass erleichtere eine Integration, der irrt. Im Gegenteil: Er fördert die Zugehörigkeit zum Ursprungsland, was uns Menschen, die es wissen müssen, bestätigen. Der ehemalige SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky, der jahrelang die Praxis in seinem Stadtteil „Berlin-Neukölln“ gelebt und erlebt hat, widerspricht da deutlich seinen in der Theorie argumentierenden SPD-Genossen. Dabei tut sich gerade der SPD Vorsitzende Siegmar Gabriel hervor, der bei seiner Suche nach neuem Wählerpotential mit dem Doppelpass in Richtung Großbritannien winkt, um die jungen Briten zu trösten, die den Brexit zwar nicht wollten, ihn aber zu verantworten haben, weil sie keine Lust hatten, zur Wahlurne zu gehen.
Beschlussfassung gegen „Mutti“
Ein kleines Sensatiönchen ereignete sich in Merkels CDU. Die Junge Union, die sich zum Parteitag in Essen eine eigene Meinung leistete, will die geltende Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft rückgängig machen: „In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen sich wieder für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen – und nicht sowohl die deutsche als auch die ihrer Eltern behalten dürfen. Die Delegierten stellten sich mit dem Votum sowohl gegen den Koalitionspartner SPD als auch gegen den Wunsch der Parteispitze.“
Alles heiße Luft, was Merkel auch gleich nach dem Parteitag mit den Worten bestätigte: „Nicht alles, was auf einem Parteitag beschlossen wird, muss auch umgesetzt werden.“
Wie passend zu ihrem Lieblingsspruch: „Man kann nicht davon ausgehen, dass das was vor den Wahlen versprochen wird, auch nach den Wahlen gilt.“
In einem Land, in dem Patriotismus und nationale Identität fehlen, kann die Staatsbürgerschaft doch locker verschenkt werden, denn am schwächsten ist das nationale Identitätsgefühl in Deutschland.