Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Gestern fand im Bundestag eine Anhörung des Rechtsausschusses zum Maasschen Zensurvorhaben, genannt Netzwerkdurchsetzungsgesetz statt. Wegen der Brisanz der Angelegenheit wurde die übliche Expertenzahl, die von den Fraktionen bestimmt wird, auf zehn erweitert.
Von diesen zehn Experten haben sieben das Gesetz für untauglich oder gar verfassungswidrig erklärt. Einige schlugen substanzielle Nachbesserungen vor, andere waren der Meinung, dass der von Maas vorgelegte Entwurf nicht zu heilen sei. Meines Wissens ist noch niemals ein Gesetzentwurf einer Regierung so massiv verrissen worden. Besonders beunruhigend ist, dass aus dem Hause des Justizministers ein Entwurf vorgelegt und vom Kabinett Merkel durchgewunken wurde, der verfassungswidrig ist.
Lediglich der Vertreter der Staatsanwaltschaft und des Richterbundes Bornemann begrüßte das Gesetz vorbehaltlos. Merkwürdig ist, dass ein zweiter Befürworter, Dr. Buermeyer, der Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin ist, zwar kleine Veränderungen, wie eine unabhängige Prüfung der angeblichen Hasspostings möchte, die Verfassungswidrigkeit aber nicht erkennen wollte. Sein angeblich vorbehaltloser Kollege Bornemann von der Staatsanwaltschaft räumte später überraschend in der Fragerunde ein, dass ein Gesetz schon verfassungskonform sein müsste und schloss sich den gemachten Veränderungsvorschlägen an. Das ist ein verstecktes Eingeständnis, dass der Entwurf, den er in seinem Vortrag Makellosigkeit bescheinigte, den im Grundgesetz garantierten Grundrechten widerspricht.
Das Verhalten der beiden Herren lässt erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz aufkommen. Es ist eine gefährliche Untergrabung der Rechtsstaatsprinzipien, wenn ausgerechnet die Gesetzeshüter Expertisen abgeben, die Gefälligkeitsgutachten gleichen.
Noch problematischer ist, dass offenbar trotz aller Bedenken dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.
Das waren die Experten:
Ulf Bornemann, Generalstaatsanwaltschaft Hamburg: Dem Gesetzentwurf sei „uneingeschränkt beizupflichten“, warum sollten „Daten eines mutmaßlichen Hetzers unter Schutz stehen“.
Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, wünschte sich mehr Strafverfolgung von Hetze, stimmte dem Entwurf zu, wollte aber eine unabhängige Prüfung eingebaut wissen.
Martin Drechsler, Multimedia-Dienstanbieter Berlin, nannte den Entwurf verfassungswidrig. Es müssten Elemente der freiwilligen Selbstregulierung eingebaut werden.
Diethelm Gerhold, Bundesbeauftragter für Datenschutz sieht im Entwurf „schwere Einschränkungen von Grundrechten“. Eine Verfahrenssicherung und ein Richtervorbehalt seien nötig. Es dürfe keine Auskunftspflicht ohne Prüfung geben.
Holger Herzog, jugendschutz.net Mainz, stimmt dem Entwurf zu, weil er es nicht für ausreichend hält, verdächtige Inhalte erst nach richterlicher Prüfung zu entfernen.
Bernd Holznagel, Universität Münster ist überzeugt, dass das Gesetz ungeändert vor dem Verfassungsgericht scheitern wird. Es hätte eine Ausstrahlwirkung auf die Grundrechte und es setze Comliance-Regeln voraus, statt sie zu definieren. Die kurze Fristsetzung sollte nur für wenige Delikte gelten. Außerdem brauche der Staat keinen Sonderschutz im Kommunikationsraum, wie im Entwurf festgelegt.
Christian Mihr, Reporter ohne Grenzen, stellt fest, dass Private nicht über Löschungen entscheiden dürfen. Das Gesetz bedrohe Presse- und Meinungsfreiheit. Es gäbe keine Definition von Fake News. Das Gesetz könne missbraucht werden, es müsse im Ganzen verworfen werden, damit es nicht zum Negativbeispiel werde.
Bernhard Rohleder, Bitkom e.V., unterstützt Drechsler, fordert, anekdotisch motivierte Politik zugunsten analytischer Politik aufzugeben. Das Gesetz richte mehr Schaden als Nutzen an. Es sei handwerklich nicht gelungen, die Fristen müssten raus und Selbstregulierung rein. Es gäbe keine schnelle Lösung. Sorgfalt müsse vor Schnelligkeit gehen.
Wolfgang Schulz, Universität Hamburg, schloß sich Holznagel und dem UN-Sonderbeauftragten Caine an, der das Gesetz als Verletzung von UN-Konventionen sieht, die Deutschland ratifiziert hat. Verbesserungen seien dringend nötig. Es fehlten der Opferschutz und die Frage, wie mit unrechtmäßig gelöschten Inhalten umgegangen werden soll.
Rolf Schwartmann, Technische Hochschule Köln, hält den Entwurf für nicht verfassungsgemäß und fordert eine Entfernung der Fristen.
Noch nie hat ein Justizminister so blamiert dagestanden. Allerdings ist zu befürchten, dass Maas keinerlei Konsequenzen ziehen und versuchen wird, sein Vorhaben koste, was es wolle, durchzupeitschen.