Es ist besser, nicht zu regieren als falsch
Mit diesen Worten beendete Christian Lindner sein Statement, mit dem er in der letzten Nacht vor die Mikrophone trat, um das Ende der Jamaika-Verhandlungen für seine Partei zu erklären. Man habe den Willen und die Bereitschaft gehabt, zu Kompromissen zu gelangen, die für alle tragfähig hätten sein können. Die FDP sei gleich zu Beginn mit Vorschlägen und Ideen in die Verhandlungen gegangen, um gemäß ihrem Wählerauftrag als Erneuerer für die Zukunft des Landes parat zu stehen. Man könne niemandem der Verhandler einen Vorwurf machen, dass er seine Überzeugungen an bestimmten Inhalten nicht verlassen wollte. Dieses Recht habe auch seine Partei für sich in Anspruch genommen. Um den Wählerauftrag nicht zu verraten, sei man zu der Überzeugung gelangt, die Sondierungsgespräche zu beenden, denn es sei besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren.
Ein bemerkenswertes Statement, das, wenn es denn tatsächlich der Motivation entspringt, die Lindner kurz und knapp darlegte, in die Geschichte der Bundesrepublik, noch deutlicher in die Geschichte der FDP eingehen wird. Die Partei, die stets als Zünglein an der Waage mit oft weniger als 10 Prozent mal mit der SPD, mal mit der CDU, wenn es sein musste, auch als Kanzlerschaftsbeendiger in der großen Politik mitzumischen verstand, zieht für ihre Wahlversprechen gegenüber ihren Wählern die Reißleine und verzichtet auf Macht, auf Posten und Prestige. Neue Töne oder doch eher ein strategisches Rückspiel gegenüber Angela Merkel, die auch nicht ganz schuldlos war am Verschwinden der FDP aus dem Parlament. „Gott hat die FDP vielleicht nur erschaffen, um uns zu prüfen“, zitiert Merkel 2012 im Parlament aus einer Satiresendung und hat die Lacher über das Gespann Rösler, Brüderle, Westerwelle auf ihrer Seite. Eine große Steuerreform war das Vorhaben der FDP … aber doch nicht mit Merkel! Daran hatte sich schon ein CDU-Mann namens Merz die Zähne ausgebissen.
Nein, die FDP bildete mit ihrer Klein-Politik an Merkels Seite nur ein Häufchen Elend und wurde 2013 nicht mehr gebraucht. Es begann die erste große Abwanderung von Wählern zur AfD. Dieser Trend sollte sich weiter fortsetzen, wie wir heute bestätigen können.
Sollte Lindner tatsächlich der Erneuerer im großen Schlaflabor Deutschland sein, der seinen vielen blumigen Worten und Schwüren entsprechende Taten folgen lässt? Ich glaube, er hat von Anfang an Opposition sein wollen, um zu zeigen, was er rhetorisch drauf hat und dass er – beginnend im Landtag NRW – auf der großen Bühne der Eitelkeiten in Berlin noch steigerungsfähig ist.
So kann es kommen. Erst die alternativlose Abnick-GroKo CDU/SPD ohne eine nennenswerte Opposition mit Alternativen, jetzt Parteien, die sich geradezu danach reißen, Opposition zu sein, um nur nicht wieder gefressen zu werden, währen sie das Chaos im Land beackern, das Merkel großflächig nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Europa gesät hatte.
Jedem war vor den Sondierungen klar, dass Merkel und die Grünen eine größere Affinität zueinander besitzen als Merkel und Kubicki beispielsweise. Schließlich hat Merkel auch ohne dass ein Grüner mitregierte, schon Politikziele der Grünen umgesetzt. Die Grünen waren also Merkel schon vor Beginn der Sondierungen zu Dank verpflichtet. Über die paar noch strittigen Fragen würde man sich gewiss einigen – umso deutlicher war dann auch die Enttäuschung den Verhandlern Özdemir und Göring-Eckhard ins Gesicht geschrieben.
Nun muss Bundespräsident Steinmeier aus dem Schlaf geklingelt werden, der doch so gerne mit Frau Merkel eine ruhige Kugel geschoben hätte. Auf solche Ereignisse ist der Herr der Repräsentanz sicher nicht scharf. Endlich wird es spannend im Land der Merkelschen Alternativlosigkeit.
Mit der FDP konnte ich mich seit der misslungenen Steuerpolitik unter Westerwelle nicht mehr anfreunden. ich ziehe aber heute den Hut vor Herrn Lindner, der sich mit seiner Mannschaft nicht von den anderen Parteien hat einlullen lassen um auf biegen und brechen zu regieren. Ich finde es skandalös, dass unser Bundespräsident jetzt versucht die Parteien unter Druck zu setzen um – egal wie – eine Regierung zu schaffen. Die Bürger haben die Parteien mit ihren Abgeordneten gewählt und nicht Herr Steinmeier. Da es keine Einigung gegeben hat ist eine Neuwahl der richtige Weg.
Erhard Kleinschmidt, Bottrop