Gastbeitrag von Inge Steinmetz
Am 22.12.1999, also vor ziemlich genau 18 Jahren erschien in der FAZ – einer DAMALS sehr ernstzunehmenden Tageszeitung – Ihr Gastbeitrag, in dem Sie Helmut Kohl – ihrem politischen Ziehvater vorwarfen, dass er der Partei großen Schaden zugefügt hätte, dass er „in einem rechtswidrigen Vorgang“ sein Wort „über Recht und Gesetz“ gestellt habe. Die CDU müsse sich von Kohl lösen und den Kampf mit dem politischen Gegner aufnehmen.
Bis dahin hatte niemand gewagt öffentlich solch eine Kritik an Kohl auszusprechen. Als damalige Generalsekretärin Wolfgang Schäubles, dem Parteichef der CDU, wagten Sie den Schritt, den ihr Chef scheute, Sie sprachen die unangenehme Wahrheit aus! Vom einstigen Dream-Team Kohl – Merkel war zu dieser Zeit nichts mehr zu spüren. Die Spendenenthüllungen waren ein willkommener Anlass für Sie, die Partei gegen Kohl aufzubringen, der Reformen aufschob und sich mit JA-Sagern umgab. Der Zeitungsartikel wurde als historisch bewertet, die CDU-Anhänger sahen sich genötigt Stellung zu beziehen: Für Kohl oder für Merkel!!! Damals wurden Sie als „Vatermörderin“ und „Nestbeschmutzerin“ bezeichnet. Und dabei sagten Sie doch so schöne Sätze, dass es um die Glaubwürdigkeit der CDU gehe und dass die Partei laufen lernen müsse, sich zutrauen müsse, in Zukunft ohne ihr „altes Schlachtross“ den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen. Harter Tobak damals, die Erleichterung in der CDU war fast physisch zu spüren. ENDLICH der Befreiungsschlag gegen den Patriarchen. „Unwiederbringlich vorüber“ sei die Zeit von Kohl. „Das Mädchen“ wie Kohl Sie nannte, hatte dem Ziehvater den Garaus gemacht! Mit dem Satz „Und deshalb liegt es weniger an Helmut Kohl als an uns, die wir jetzt in der Partei Verantwortung haben, wie wir die neue Zeit angehen.“ läuteten Sie die „neue Zeit“ ein, obwohl damals so viele – gerade an der Basis der Partei – weiter an Kohl festhielten.
Ich habe einmal geschaut, was ein Schlachtross ist. Da ich einmal versehentlich Rostbratwurst bestellt habe und Rossbratwurst bekommen habe, habe ich erfahren, dass es sich bei einem Schlachtross nicht um einen alten Gaul handelt, der geschlachtet wird. Das Wort kommt vom Streit- oder Kampfross, also von Pferden, die im Kampf geritten wurden. Wenn also Kohl mit einem alten Schlachtross verglichen wird, dann hatte er seinen Dienst in der Schlacht getan, war reif für den Abgang.
18 Jahre später, nach dem Wahldebakel der CDU – es ist allen klar, dass Sie damit nichts zu tun haben, nicht wissen, was man hätte anders machen können – wächst die Kritik an einer Kanzlerin, die sich auch mit Ja-Sagern umgibt, die ihre „humanitäre Aufgabe“ (dafür wurde übrigens nie ein Amtseid geleistet!) „über Recht und Gesetz“ gestellt hat, wie es auch 34 Parteifunktionäre in einem Brandbrief an Sie ausdrückten: „Die gegenwärtig praktizierte ‚Politik der offenen Grenzen‘ entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU“, hieß es darin. Starker Tobak, genau wie 1999. Der Brandbrief ging Ihnen am Allerwertesten vorbei, hat leider nichts bewirkt.
Es fehlt nun jemand, der – mutig wie Sie damals – der CDU nahelegt, dass es um die Glaubwürdigkeit der CDU geht, dass die Partei laufen lernen müsse und man sich vom „alten Ackergaul aus der Uckermark“ trennen muss.