Die Oberlehrer der Nation

Gastbeitrag von Kurt Rohmert
Die Informationspolitik in Forschung, Politik und Medien

Für viele war der Sommer 2018 einfach nur schön. Einen Urlaub am Mittelmeer konnte man sich sparen. Auch dieses Jahr war der Hochsommer heiß, manchmal sehr heiß.  So vermeldete im Juli der Deutsche Wetterdienst (DWD) einen neuen Rekord: 42,6 Grad. Lingen knackt den Rekord, zu lesen in allen Medien. Die ARD brachte am 25.Juli selbstverständlich einen „Brennpunkt“. (1)

Völlig anders dagegen die Sachlage einen Tag später. Nachdem Wetterexperte Kachelmann Zweifel an der Messmethode anmeldete, schloss sich das Portal wetteronline den Vorwürfen an: Sie erkannten den Rekord nicht an, sie nannten es „systematische Messdatenverzerrung.“ (2)

Also mal ganz ehrlich: Haben Sie auch manchmal Zweifel, ob in unseren Medien alles korrekt ist? Ob der Pressekodex immer strikt eingehalten wird? Sind Wahrheit und Sorgfalt immer oberstes Prinzip?

So hieß es zwei Wochen vorher in der Tagesschau: Noch nie war es in Deutschland so heiß! und  das  ZDF titulierte: So heiß war es noch nie! Die ARD resümmierte sofort: „Wir verlieren die Kontrolle über das Klimasystem!“ (Zitat des Klimaforschers Stefan Rahmstorf).  (3)

Es müsste eigentlich heißen „Seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, also etwa 1860.“ Aber auch das wäre nicht sicher, denn auch 1947 war es fast so heiß, gerade mal 0,1 Grad weniger.  Ein Blick ins Mittelalter zeigt, etwa zwischen 950 und 1250 war es heißer als heute (ca. 2 Grad). Und wie sieht es mit dem Zitat des Herrn Rahmstorf aus (immerhin einer der Leitautoren des IPCC, der Weltklimarat der UN)? Genau! Eine Kontrolle über das Klima hat der Mensch noch nie besessen! Denn einige Faktoren entziehen sich menschlichen Einflüssen, wie z.B. Sonnenaktivität oder Vulkanausbrüche.

Auch der Umgang mit den Inhalten der IPCC Berichte ist zweifelhaft, ja sogar irreführend oder manchmal schlicht falsch. In seinem 5.Bericht musste der Klimarat IPCC zugeben, dass die Erderwärmung anders verläuft als vorausgesagt (siehe Grafik). Und so forderte Bjorn Lomborg (Copenhagen Consensus Center), dass die Klimadiskussion „deutlich realistischer und intelligenter zu führen sei“.  Denn solche apokalyptischen Meldungen wie ein um 6 Meter ansteigender Meeresspiegel nehmen Politiker gern als Begründung für Gesetze, die den Menschen Milliardenlasten aufbürden. Ein Blick in die Berichte des IPCC zeigt das Dilemma. Jeder Absatz schließt mit der Aussage: „mittleres / hohes  Vertrauen“. Das heißt übersetzt „Nicht bewiesen!“
Die  Greta
Thunberg irrt zwangsläufig, wenn sie sagt „ … die Ergebnisse der Forschung sind kristallklar“.

Ähnlich verfährt das IPCC in den Berichten, siehe Kurzversion für Politiker. Da wird schon mal die originale  Kernaussage (Schätzung) zur  erforschten Ursache verfälscht. Ein Beispiel:

Original (A): Human activities are estimated to have caused approximately 1.0°C of global warmingabove preindustrial levels, with a likely range of 0.8°C to 1.2°C.
Im deutschen Bericht wird daraus: Menschliche Aktivitäten haben etwa 1,0 °C globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau verursacht, mit einer wahrscheinlichen Bandbreite von 0,8 °C bis 1,2 °C.

Aus einer Schätzung (estimated=geschätzt) wird ganz salopp eine Tatsache (haben verursacht) ! Ein Übersetzungsfehler? Wohl kaum, denn anfänglich gab es noch die exakte Übersetzung.

Wie kann es also sein, dass Fakten in dieser Form der Öffentlichkeit mitgeteilt werden? Die Journalisten unserer Leitmedien verkünden doch immer wieder lapidar: „Es ist wissenschaftlich belegt“. Wieso hört man nichts von den anderen Wissenschaftlern oder ihren Erkenntnissen und wenn ja, warum so diffamierend? Ist also alles sonnenklar? Gehen wir mal dieser Aussage nach.

Es ist ein gutes Prinzip in der Wissenschaft, politische Debatten aus der Wissenschaft herauszuhalten. Aber diese sollte sich auch davor hüten, mit Pseudo-Wahrheiten zu arbeiten. Dafür gibt es mehrere Beispiele, zwei sollen hier geschildert werden.

Die wohl bekannteste Studie zum anthropogenen Klimawandel ist die von John Cook und andere aus dem Jahre 2013. Er hat 11.944 Studien aus der Zeit 1991 bis 2012 darauf untersucht, ob die Forscher darin bestätigen, dass der Klimawandel ursächlich vom Menschen gemacht ist. Um es gleich vorweg zu nehmen, sein Ergebnis lautete vereinfacht, dass 97% dieser Aussage zustimmen. Genau diese Behauptung geistert seitdem durch alle Medien. Sie ist eine der wesentlichen Säulen aller Klimaaktivisten. Aber niemand hat registriert, dass andere Forscher wie David Legates und andere  dieses Ergebnis nicht festgestellt haben. Auch ein weiterer Forscher, Jose Duarte, bezeichnete diese Studie als „in vielfacher Hinsicht trügerisch“ und forderte auf, sie  zurückzuziehen.  Tatsache ist, dass in den untersuchten Artikeln  über 8.000 Forscher keine klare Meinung hatten. Die 97% Aussage bezog sich folglich nicht auf alle Forscher, sondern nur auf 1/3 der Aufsätze, auch unabhängig davon, wie hoch sie den Einfluss bemessen. So bleibt es ein Mythos, dass sich 97% der Forscher einig sind. (5)

Mir erscheinen solche „Beweise“ (die 97% sind mittlerweile zurückgenommen) sehr hilflos und untermauern weder, dass der Klimawandel „ausgeforscht“ ist noch dass Konsens besteht. Doch betrachten wir weiter die Forscher, die die Hypothesen für das IPCC lieferten.

Einer der bekanntesten Klimaforscher ist Michael Mann aus den USA. Seine Forschungsergebnisse waren im 3. Bericht des IPCC 2001 als wegweisend aufgenommen worden und galten als „Wahrheit“. Bis 2019. Was war sein Beitrag? Er hatte (siehe wikipedia) eine Rekonstruktion der Temperaturen der letzten Jahrhunderte in einer Grafik dargestellt, die als „Hockeyschläger-Kurve“ bekannt wurde. Sie gilt als Beleg für die anthropogene Erwärmung in der Wissenschaft, wird von Kritikern aber stark angezweifelt. Einer davon ist der Wissenschaftler Timothy Ball (er sprach von Datenmanipulation!). Er kam bei seinen Auswertungen zu völlig anderen Ergebnissen und kalauerte: „Michael Mann gehört eher in ein Gefängnis als an die Universität“. Darauf reagierte Mann mit einer Verleumdungsklage. Um es kurz zu machen: Der Prozess zog sich über Jahre dahin und 2019 wurde die Klage abgewiesen. Mann hatte es nicht geschafft, wie gefordert seine Forschungsergebnisse zu beweisen oder seine Kritiker zu widerlegen (Wissenschaftler wie E.Zorita und R. McKitrick zweifeln an der Temperaturkurve, weil sog. Proxydaten und Thermometer-Daten erheblich voneinander abweichen). Jeder mag sich seine eigenen Gedanken darüber machen, warum das Medienecho zum Prozess so gering ausfiel.

Wie schrieb die „Wirtschaftswoche“ im Oktober 2013? Widersprüchliche Prognosen, teurer Aktionismus, ergebnislose Gipfel – die Klimapolitik ist auf ganzer Linie gescheitert. (4) Und während die Forscher immer neue Horrorszenarien zeichnen, widerlegen Fakten diese oder relativieren sie stark. Beispiele:

Die Zahl der Wirbelstürme nimmt zu. IPCC 2017. Jetzt steht fest, Experten erkennen an, dass die Prognosen unzuverlässig sind.
Die Pole schmelzen. IPCC 2017. Aktuelle Messungen und Satellitenbilder zeigen das Gegenteil. Im 5. Bericht jetzt die Korrektur, die Annahme gilt nur für die Arktis.
Die Himalaya Gletscher verschwinden. IPCC 2007. Die Prognose basierte auf einem Zahlendreher.
Ernteausfälle in Afrika. IPCC 2007. Die Halbierung der Ernten bezog sich nur auf drei Staaten am Mittelmeer.

Diese und andere Widersprüche werden von den Medien kaum reflektiert, noch weniger kritisiert. Daher von Politikern gern benutzt und als sicheres Argument ins Feld geführt
.

Der Klimawandel als Thema ist ein Phänomen. Ebenso die Berichterstattung darüber. Mittlerweile sind die Klimaforschung sowie die Berichterstattung darüber hochgradig politisiert. „So wie bei Forschern erkennbar die Grenzen zwischen Forschung und Aktivismus verschwimmen, so gilt diese Feststellung auch für den Journalismus. Eine wissenschaftliche Debatte findet dort nur oberflächlich statt oder gar nicht.“ In diesem Punkt schließe ich mich gern dem respektablen freien Journalisten Alexander Wendt an. Es wäre wünschenswert, wenn in den Medien auch die Argumente der Kritik Raum fänden. Weiter stellt er fest: „ Ich kritisiere den Unwillen, aber auch die Unfähigkeit, den Lesern deutlich zu machen, dass es eben keinen Konsens unter Wissenschaftlern gibt.“

Die Art und Weise, wie die Kommunikation in den Medien stattfindet, ist entscheidend dafür, wie die Wahrnehmung der Menschen und ihre Diskussion darüber sind.  Die Medien haben immer noch einen hohen Einfluss auf die Meinungsbildung. Differenzierte Meinungen und Fakten werden leider kaum erwähnt, andere Ergebnisse stark dramatisiert. Alles im Namen journalistischer Neutralität. Dabei geht es bei diesem Thema um mehr, nicht nur um Wissenschaft, sondern auch um Politik und Deutungshoheit.

Ich habe durch meine Recherchen auch verantwortungsvolle Wissenschaftler, Journalisten sowie Politiker angetroffen. Jedoch zeigen die aufgelisteten Beispiele, wie in der heutigen Zeit Forschungsergebnisse je nach Ideologie verfälscht oder umgedeutet werden. Meine Forderung war und ist die Rückbesinnung auf solche Grundsätze wie im Pressekodex oder Amtseid formuliert und nicht die Bestimmung der öffentlichen Meinung.
Ihr seid nicht die Oberlehrer der Nation! Unser Journalismus muss sich der Diagnose Identitäts- und Qualitätskrise stellen (Springer Fachmedien 2018).

Dieser Artikel sollte auf mediale Missstände aufmerksam machen, ohne den Klimawandel selbst interpretieren zu wollen. Das tut bereits das IPCC in seinen Berichten :

In sum, a strategy must recognise what is possible. In climate research and modelling, we should recognise that we are dealing with a coupled non-linear chaotic system, andtherefore that the long-term prediction of future climate states is not possible. (IPCC Climate Change 2001 Scientific Basis S.774)  (B)

(Freie Übersetzung des Autors: … wir sollten anerkennen, dass wir es mit einem chaotischen System zu tun haben, … deshalb ist die Vorhersage zukünftiger Klimazustände nicht möglich.)

Quellen:

(A)   https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/sites/2/2018/07/SR15_SPM_version_stand_alone_LR.pdf auf S.10

(B)      https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/03/WGI_TAR_full_report.pdf auf S.774

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