Was geschah wirklich in Syrien?
Gastbeitrag von Kurt Rohmert
Seit 2011 tobt ein grausamer Bürgerkrieg in Syrien, ein Ende ist nicht in Sicht. Zwischen den Fronten unzähliger Kriegsparteien leidet und stirbt eine Bevölkerung, man schätzt bislang 500.000 Tote. Was mal als friedliche Demonstration gegen Assad begann, mutierte in einen erbarmungslosen Bürgerkrieg. Anfangs noch mit einem Diktator und Oppositionellen. Doch schon bald entwickelte sich daraus ein Stellvertreterkrieg mit nicht weniger als 9 Kriegsparteien, darunter auch zahlreiche Terrormilizen.
Die Interpretationen zum Geschehen gehen weit auseinander. Aufsehen erregte jetzt ein Whistleblower aus dem Team der OPCW (Organisation zum Verbot für Chemiewaffen). Dieser wirft seiner Organisation vor, den Untersuchungsbericht zum Giftgasangriff in Douma/Syrien vom 7. April 2018 gefälscht und damit gegen den Untersuchungsauftrag verstoßen zu haben. Eine Sonderabteilung untersuchte damals den Giftgasangriff. Gab es diesen Gasangriff in Duma? Wenn ja, wer war der Verursacher?
In Berichten und Diskussionen zum Syrien-Krieg ist oft von „den Rebellen“ die Rede, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Doch wer sind „die Rebellen“ überhaupt? Eine wichtige Frage, denn die Lage in Syrien ist unübersichtlich. Eine andere Frage ist, wer will was in Syrien? Und schließlich, was ist dran am Vorwurf der Manipulation durch die OPCW?
Zur Erinnerung eine kurze Chronologie dieses grausamen Krieges: Während des arabischen Frühlings gehen in Syrien 2011 Menschen auf die Straße, der Diktator Assad schlägt diese Proteste blutig nieder. Oppositionelle bewaffnen sich und gründen die Freie Syrische Armee (FSA). 2013 erfolgt der erste Giftgasangriff. Die Vernichtung syrischer Chemiewaffen (unter Kontrolle der OPCW) verhindert ein Eingreifen der USA. Der IS erobert Rakka. Nach der Eroberung von Mossul durch den IS greifen die USA 2014 offen in den Krieg ein. Ab 2015 unterstützt die russische Luftwaffe Machthaber Assad. Trotz einer Waffenruhe geht der Krieg unvermindert weiter. Die syrische Armee erobert 2016 Aleppo. Im April 2017 bombardieren die USA einen Armeestützpunkt als Reaktion auf einen Giftgasangriff. Die Terrormiliz IS verliert mit Rakka ihr Kerngebiet und die Kontrolle über Nordsyrien. 2018 erobert die türkische Armee mit islamistischen Milizen Afrin. Als Vergeltung auf den Giftgasangriff in Douma bombardieren Briten, Franzosen und Amerikaner Ziele in Syrien.
Viele Mächte versuchen in Syrien Einfluss auf den Ausgang zu nehmen. So will der Diktator mit einer militärischen Lösung die Kontrolle erreichen. Es ist ein gnadenloser Vernichtungs- und Vertreibungskrieg. An seiner Seite greift Russland ein, vorgeblich, um den IS zu bekämpfen. Sicherlich auch, um eigene Ansprüche durchzusetzen. Die Türkei wollte nur zu Beginn den Sturz Assads, mittlerweile ist das vorrangige Ziel, ein autonomes Kurdengebiet zu verhindern. Wie Russland ist der Iran ein wichtiger Verbündeter von Assad. Sie täuschen eine Schutzmacht für die Schiiten vor, wahrscheinlicher ist aber die militärische Unterstützung der Hisbollah im Libanon.
Auf der Rebellenseite ist es ebenfalls sehr verworren. Zahlreiche Milizen eint der Kampf gegen Asssad, unterstützt durch die Golfstaaten. Die Rebellengebiete werden durch radikal-islamistische Gruppen beherrscht. Die FSA, einst beliebter Ansprechpartner des Westens (USA, GB und Frankreich), hat inzwischen stark an Einfluss verloren, die meisten haben sich den Islamisten angeschlossen. Somit ist der nach Freiheitskämpfern klingende Begriff Rebellen fehl am Platze. Die wohl stärkste Gruppierung unter den Dschihadisten ist neben dem IS die Terrormiliz Al-Nusra, ein Al-Kaida Ableger. Das Ziel der USA und Frankreich mit Großbritannien war ursprünglich eine Unterstützung der Rebellen, tendierte später mehr zu einer indifferenten Gleichgewichtspolitik.
Damit sind wir beim schmutzigsten Kapitel. In diesem grausigen Krieg beschuldigen Assads Gegner, also die Rebellen, diesen immer wieder, die eigene Bevölkerung zu vergiften. Unterstützer des Diktators werfen dagegen den „Rebellen“ vor, diese Behauptung zum eigenen Vorteil zu nutzen. Der letzte mutmaßliche Giftgasangriff im damals von Rebellen beherrschten Douma ließ den Konflikt weiter eskalieren. Eine Untersuchung der OPCW sollte Klarheit bringen. Was geschah wirklich in Douma? Der Bericht sorgte später für Aufsehen, man spricht bis heute sogar von Manipulation.
Nach Behauptungen der „Weißhelme“ (eine private Zivilschutzorganisation) starben mindestens 42 Menschen bei diesem Angriff. Belastbare Beweise wurden nicht vorgelegt. Deshalb mehrten sich von Anfang an die Vermutungen, der Vorfall sei inszeniert. Die sofortigen schweren Vergeltungsangriffe des Westens ohne UN Mandat wurden von einigen Medien und dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags, nicht aber von der Bundesregierung, als völkerrechtswidrig eingestuft.
Anders als die Bundeskanzlerin („Der Einsatz war erforderlich und angemessen …“) kam der Zwischenbericht der OPCW vom Juli 2018 zu der Erkenntnis, dass in den Proben lediglich „chlorierte organische Chemikalien“ waren, also keine Nervengifte. Trotzdem blieb die Berichterstattung in den Medien fragwürdig, sie sprachen manipulativ von Chlorgas. Robert Fisk, ein Nahost Korrespondent, war damals in Douma und fand keine Zeugen oder Beweise für diesen mutmaßlichen Angriff. Verbreiter falscher Nachrichten war neben Reuters (sie haben ihren Fehler inzwischen zugegeben) die deutsche dpa, die weiterhin gefundenes Chlorgas suggerierte.
Der Abschlussbericht der OPCW vom 1. März 2019 erklärte kurioserweise unter Punkt 2.17, dass in Douma eine giftige chemische Substanz, die Chlor enthielt, eingesetzt wurde. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, sagte ein Whistleblower auf einer Tagung am 15. Oktober der Courage Stiftung (sie vertritt u.a. Julian Assange). Die Quelle erwies sich als eine Person aus dem Untersuchungsteam mit spezieller Erfahrung in der Analyse chemischer Waffen. Seine detaillierten Aussagen bewiesen, dass hier ein gewünschtes Ergebnis erreicht werden sollte.
Doch damit ist die Geschichte noch nicht beendet. Im Mai 2019
sorgte ein Dokument für Aufsehen, welches bis dahin unter Verschluss gehalten wurde. Der geleakte Bericht eines Insiders (Ian Henderson, Ballistiker) kommt nämlich zu dem Schluss, dass die gefundenen Gasbehälter nicht aus der Luft abgeworfen wurden, sondern am Boden platziert waren. Ein klarer Widerspruch! Also massive Zweifel an der westlichen Darstellung, dafür um so mehr der Verdacht, dass die Täter in islamistischen Kreisen zu suchen sind. Die Reaktion der OPCW machte das Dokument wohl authentisch, zeigte aber deutlich das unseriöse Verhalten der Organisation und natürlich unserer Medien auf.
Interne Emails, veröffentlicht von wikileaks, untermauerten diese Behauptung. Deshalb auch die Forderung an die OPCW, den Bericht zu überprüfen und jede Kritik bzw. Rederecht von Kritikern auf der Hauptversammlung in Den Haag im November zuzulassen.
Der Whistleblower „Alex“ forderte die vollständige Transparenz aller Untersuchungen. Auch erklärte er, dass das Untersuchungsteam an den Analysen gehindert wurde und das Laborergebnis in keinem der Berichte auftaucht. So stehe fest, dass die präsentierten Opfer nicht an Giftgas starben. Auf der OPCW Jahrestagung am 27. November 2019 bestätigte dagegen Generaldirektor Arias dennoch den Abschlussbericht und wies alle Zweifel zurück. Gehört wurde kein einziger Kritiker.
Umso erstaunlicher die Antwort unseres Auswärtigen Amtes. Es sehe keinen Grund, das Anliegen (der Kritiker) zu unterstützen (wie auch unsere Medien). Man habe keinen Grund, am Bericht zu zweifeln. Ganz so wie Kanzlerin Merkel.
Fazit: Man muss diese Menschen bewundern. Whistleblower sind Menschen, die illegales Handeln, Missstände oder Gefahren nicht länger schweigend hinnehmen, sondern trotz aller Gefahren und persönlicher Nachteile aufdecken.
„Wir leben in einer Welt, wo Ehrlichkeit als Schwäche zählt und die Lügner auf Händen getragen werden.“ (Albert Einstein).
Dieser Artikel bedurfte langer Nachforschungen, basiert wesentlich auf Informationen der Nahost Expertin Karin Leukefeld. Ich gehe von der korrekten Darstellung der Vorgänge ihrerseits aus. Leider schweigen unsere Medien fast gänzlich oder verfolgen eine Strategie einseitiger Berichterstattung für den Westen.
Der Syrienkrieg war vom Westen eingefädelt worden, einerseits durch massive Unterstützung der oppositionellen Kräfte im Land durch westliche Geheimdienste und Militärberater als auch über Finanzspritzen (insbesondere aus den USA) und mit illegalen Waffenlieferungen aus Libyen. Assad sollte gestürzt werden, weil er die Gas-Pipeline von Katar über Syrien nach Europa abgelehnt hatte. Der Mainstream-Faktencheck qualifiziert diese These allerdings als falsch und diskreditiert sie als eine Verschwörungstheorie. Womit die Autoren des Faktenchecks u. a. auch den von den deutschen Öff. Medien seit Kriegsbeginn geführten Propaganda-Krieg gegen Assad unterstützen. Diese Bewertung durch den „Faktencheck“ stehen im krassen Widerspruch zu den Berichten von den Nahostkennern Karin Leukefeld und Michael Lüders.
Dass diese Bewertung durch den „Faktencheck“ (s. mein vorheriger Kommentar) eine glatte Lüge ist und nur der Manipulation der Bevölkerung dient, dazu hatte ich im Buch „Deutschland im freien Fall“ ein eigenes Kapitel geschrieben (Seite 138ff), ergänzt durch eine Dokumentation mit dem Titel „Westliche Geheimdienste finanzieren in Syrien Söldnertruppen in Armeestärke“ (Ebenda, Seite 185ff).
Hallo Joachim,
ich kann nicht exakt beurteilen, wer von den beteiligten Mächten was will. Ich bin aber überzeugt davon, dass unsere Berichterstattung nicht neutral und sauber ist. Mir ist nach wie vor schleierhaft, warum über die Whistleblower Story keines der bekannten Medien berichtet. Da liegt nahe, dass man etwas verschweigen möchte.
Hallo Kurt, die Antwort steht auf Seite 139 in meinem Buch „Deutschland im freien Fall“, unterlegt mit Quellen. Unsere Regierung und mit ihr die öffentlichen Medien betreiben ein falsches Spiel und lügen. Ganz eindeutig. Sie verfolgen ein klares Ziel.