Intoleranz an deutschen Hochschulen
Gastbeitrag von Kurt Rohmert
Mehrere Hundert Studenten haben im Oktober 2019 die erste Vorlesung des AfD Mitbegründers Bernd Lucke (Uni Hamburg) massiv gestört. Der Wirtschaftwissenschaftler wollte nach seiner Abkehr von der Politik eine Vorlesung zum Thema Makroökonomie halten. Bekanntermaßen kam es nicht dazu. Wie sagte die Journalistin Heike Schmoll in der FAZ vom 4.11.: Es geht nicht mehr um Argumente – sondern um Macht und Meinungsführerschaft.
Diese Vorgänge an deutschen Unis weckten bei mir Erinnerungen an mein eigenes Studium an einer Hochschule. Die These, man wolle Deutschland verändern, ist gewiss nicht neu. Auch wir waren jung, auch wir gingen auf die Barrikaden. Auch damals gab es Studentenbunde, die entweder der SPD angegliedert waren, oder als Teil der außen erparlamentarischen Opposition (APO) eher zu der Neuen Linken (später als 68er-Bewegung bekannt) tendierten, die stark sozialistisch waren und dem System DDR huldigten. Aber damals war etwas anders, mehr dazu später.
Bei den 200 militanten Störern ging es nicht nur um Protest mit Buh-Rufen. Sie verhinderten nicht nur eine Vorlesung im Hörsaal, sondern nach Handgemengen brauchte Professor Lucke Polizeischutz. Die stark passive Uni-Leitung hatte sich erst nach vehementer Kritik und wiederholten Krawallen zu einer Anzeige entschlossen. Während der Asta (der Vorsitzende Karim Kuropka ist SPD Mitglied) vorgaukelte, es gäbe keine weiteren Störungen, war es Lucke erst im 3. Versuch möglich, wieder unter starkem Polizeischutz (mehrere Hundertschaften in voller Schutzmontur) und zusätzlichem Sicherheitsdienst, seiner Arbeit nachzugehen. Ein eher unrühmliches Bild gaben der Präsident und die Bildungssenatorin (K. Fegebank von den Grünen) ab, man vermisste ihre Fürsorgepflicht und die Loyalität zum Professor wie auch zur freien Wissenschaft.
Nach solch einem entschlossenen Polizeieinsatz hieß es dann erstaunlicherweise von der Senatssprecherin „Die Veranstaltung ist störungsfrei verlaufen“. Trotzdem gab es für Studenten und Mitarbeiter Therapien zur Bewältigung von Belastungsstörungen! Irgendwie irritierend!
Weitere Beispiele an unseren Hochschulen sind die ausgeladenen Politiker Lindner (Uni Hamburg, Auftrittsverbot) oder de Maiziere (Göttingen, Lesung) oder die Ethnologin Susanne Schröter (Uni Frankfurt, Diskussion zum Kopftuch) und Baberowski und Münkler (Berlin) oder Schönecker (Siegen). Derartige Blockaden durch „Aktivisten“ wurden zwar durch Politiker wie Pistorius, SPD („Bärendienst an der Demokratie“), oder Altmaier, CDU („Missachtung von Recht und Person“), verurteilt, blieben aber sonst oberflächlich.
Was ist los an deutschen Universitäten? Wenn der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, sagt „Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen sinkt“ und davor warnt, das habe auch Auswirkungen auf die Debatten an unseren Hochschulen, dann meint er keine Zensur, aber doch eine wachsende Einschränkung der Meinungsfreiheit. Die schon genannte Politik-Journalistin Heike Schmoll (FAZ) formuliert es so „An den Universitäten versuchen selbsternannte Zensoren immer öfter, Andersdenkende zu unterdrücken. Wie soll es unter solchen Voraussetzungen zu einem freien Diskurs kommen?“ Wir feiern gerade 70 Jahre Grundgesetz und damit auch die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Meinungsfreiheit ist die Grundlage von Freiheit überhaupt. Sie ist ein wichtiger Indikator für das Funktionieren einer Demokratie.
Kritisch wird es, wenn wie in diesen Fällen dem Druck von Störern nachgegeben wird und das Recht nicht durchgesetzt wird. Besonders linke Gruppen, häufig ohne demokratische Legitimation, pochen schnell auf die Grenzen der Freiheit und diese Grenzen legen sie selber fest.
Der drastische Kulturwandel an den Universitäten dringt kaum an die Öffentlichkeit. Mangelnde Unterstützung für den Hochschulverband, der sich gegen Denk- und Sprechverbote stark macht, ist leider Tatsache und daran ändert auch die Bildungsministerin Karliczek wenig. Es sind nur hohle Worte („Hochschulen müssen Orte des freien Denkens und der freien Debatten sein“).
Was sich hier ankündigt ist von der linksradikalen Publizistin Sibel Schick im Tweet (siehe links) klar formuliert. Auch wenn die DDR noch weit weg ist, wir sollten aus der Vergangenheit lernen. Auch dort durfte man alles sagen. Passend dazu die Worte des Diktators Idi Amin „There is freedom of speech. But I cannot guarantee freedom after speech.“ Auf Deutsch „ Es gibt die Meinungsfreiheit. Aber ich kann nicht für die Freiheit danach garantieren.“ So war es auch in der DDR.
Ein scheinbar schwacher Trost ist eine Rede von Bundespräsident Steinmeier, wenn er klarstellt „ Andere zum Schweigen bringen zu wollen, weil sie das eigene Weltbild irritieren – das ist also beileibe kein neuer Impuls. Aber er bleibt – damals wie heute – inakzeptabel ! “ Seine Botschaft auf der Hochschulrektorenkonferenz in Hamburg (18.Nov. 2019) war eindeutig: Forschung und Lehre müssen frei sein. Klare Aussage, aber schon ein paar Sätze weiter folgt die übliche Standpauke, wonach nur „verantwortungslose Kräfte die Meinungsfreiheit für eingeschränkt halten (?)“. Sein bestes Argument ist bei ihm wie auch bei unserer weisen Kanzlerin „Wer seine Meinung sagt, muss damit leben, dass es Widerspruch gibt.“
Wenn in einer Allensbach Umfrage eine überwältigende Mehrheit der Deutschen zugibt, man könne seine Meinung nicht frei äussern, ohne mit negativen Folgen rechnen zu müssen, dass sollte ein Staatsoberhaupt zu denken anfangen. Leiden wir denn alle an kollektiver Wahrnehmungsstörung? Schreibe ich über etwas, dass es nicht gibt? Ich überlasse die Erklärung dieses Phänomens einem Wissenschaftler, nämlich Dr. Bender von der Uni Bonn . Er stellt fest, dass die tumultartigen Krawalle eines gewalttätigen Mobs strafrechtlich behandelt werden müssen (Nötigung, Körperverletzung, Beleidigung). Er hält es für einen Skandal, wenn Handgreiflichkeiten als „diskursive Auseinandersetzung“ tituliert werden und „der Staat nicht willens oder fähig ist, eine effektive Grundrechtsausübung zu gewährleisten.“
Auch räumt er mit einem weiteren Mythos auf: „Natürlich darf jeder Meinung widersprochen werden, nur unterdrückt werden darf sie nicht!“ Was unser Präsident ausblendet ist also die Unterdrückung einer Meinung mit körperlicher Gewalt oder anderen Instrumenten. Es handelt sich de facto um ein plumpes Argument des BP, denn der Meinungsäußerer soll blockiert und mundtot gemacht werden. Damit stellt es keinen legalen Anspruch dar, sondern hier ist Meinungsfreiheit in Gefahr. Eingangs hatte ich erwähnt, dass zu meiner Studienzeit „etwas“ anders war. In den Siebzigern fanden solche Linksradikale an Hochschulen kaum Zustimmung und der Staat im Einvernehmen mit der Politik griff konsequent durch.
Egal, ob bei facebook gelöscht wird oder ein Politiker markante Sprüche von sich gibt, weder in einer Talk Show noch in den sozialen Medien wird über eine „bestimmte Form der Meinungsregulierung“ entschieden.
Über die „sachliche Reichweite der Meinungsfreiheit entscheiden der Wortlaut des Grundgesetzes und über dessen Auslegung unsere Richter“! (Dr. Bender)