Begründung: Antimuslimischer Rassismus
Nach dem Dahinsiechen der großen Volkspartei SPD, die ihren Totengräber noch immer als zur Neutralität verpflichteten Bundespräsidenten beklatscht, hatte sie meine Aufmerksamkeit verloren. Mehrfach ergoss ich mich über den unfähigsten aller Bundespräsidenten, denkt man an Heinemann, Weizsäcker, Köhler und sogar Gauck zurück. Die Größe, die dieses Amt erfordert, ist nicht erlernbar. Da spielen Temperament, Charakter und Talent eine entscheidende Rolle, gepaart mit Ausstrahlung und einer warmherzigen Autorität. Wer aber einerseits die Nation dazu aufruft, mehr miteinander zu reden und gleichzeitig Partei ergreift für das linke Mainstreamlager, hat seine Autorität im Amt verwirkt und wird als „schwacher Darsteller“ seines Amtes in die Geschichte eingehen.
Geradezu fatal erscheint da das Männer-Gespann Steinmeier/Sarrazin, welches für die SPD kein Glücksfall ist. Während sich Kandidat eins den Status eines von Amts wegen legitimierten „SPD-Grabausschauflers“ erworben hat (ich berichtete darüber), bemühte sich Sarrazin mit seinen akribisch recherchierten Büchern, die gesellschaftliche Realität in Deutschland zu beschreiben und daraus die Entwicklung in die Zukunft abzuleiten. Würde die Bereitschaft in seiner Partei SPD bestehen, an der Klugheit eigener Mitglieder zu partizipieren, die öffentliche Arbeit Einzelner zu honorieren, Realitäten anzuerkennen, sich über den Islam umfänglich zu informieren und daraus die politischen Konsequenzen zu ziehen, wäre die SPD nicht in einer derart desolaten Lage.
Als Sarrazin 2010 sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ veröffentlichte, erschauderte seine SPD und begann wie der Körper eines Implantierten sofort mit der Abstoßungsreaktion. Noch vor der Veröffentlichung des Ganzen, sondern schon nach Veröffentlichung eines Buch-Auszugs, bliesen Bundeskanzlerin, Bundespräsident, Bundesbankpräsident und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel an der Spitze in das Horn der Ablehnung und verstärkten ihren Protest noch, bevor einer von ihnen das fast wissenschaftlich angelegte Buch hätte lesen können.
„Das war im Kern eine von politischen Machtträgern derart massiv vorgetragene Attacke gegen die Meinungsfreiheit und das von offener Diskussion zehrende Gemeinwesen, wie sie die Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten noch nicht erlebt hat. Insofern handelt es sich bei dieser Debatte in der Tat auch um die Grenzen von Freiheitsrechten“, schrieb Hans-Ulrich Wehler in Zeit online und dokumentiert damit unbewusst den Beginn des Endes freier Meinungsäußerung, der sich bis heute zu einem Aschehaufen aus verbrannten freiheitlich-demokratischen Grundwerten angehäuft hat. Und dieser Aschehaufen ermöglicht heute, nach 10 Jahren und nach einem weiteren Buch Sarrazins endlich das Ansinnen, Sarrazin ohne langes Federlesen aus der SPD auszuschließen. Das Buch „Feindliche Übernahme/Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ brachte das Fass in der SPD zum Überlaufen und sorgte dafür, dass Sarrazin mit Beschluss des Landesschiedsgerichts der SPD Berlin wegen „antimuslimischen Rassismus“ in seinem Buch aus der Partei ausgeschlossen wird. Die letzte Bestätigung erteilt das Bundesschiedsgericht. Dazu twitterte Gerald Grosz den durch nichts zu überbietenden Vergleich: „Gewissermaßen einem verwesenden Körper gleich stößt das tote Rindviech – also die Sozialdemokratie – die letzten lebenden Zellen – also Thilo Sarrazin – ab.“
Ob – wie Sarrazin nach seinem Ausschluss noch behauptet – die SPD-Spitze teils in Händen fundamental orientierter Muslime ist, kann ich nicht beurteilen. Dass aber zumindest in NRW eine Jahrzehnte lange rot-grüne Schulpolitik den islamischen Mitbürgern und ihren vorrangig durch Ditib vertretenen Verbänden aus der Hand gefressen haben, ist eine Realität, die schon zu meiner Zeit im Schuldienst Lehrern abverlangte, reine Türkenklassen mit minimalsten Deutschkenntnissen zu unterrichten. Dabei fiel auf, dass die Herren der Schöpfung keine Ambitionen für Bildung an den Tag legten. Umso selbstbewusster lebten sie dafür ihre Männlichkeit aus, gefördert durch die Familientradition, die dem Mann schon von Geburt an einen Bonus erteilt.
Wie weit dieser Bonus reicht, offenbart ein Gesetz, das in diesen Tagen in der Türkei beschlossen werden könnte. Es soll darüber entschieden werden, ob es Vergewaltigern von Minderjährigen in Zukunft möglich ist, ihrer Strafe zu entgehen, wenn sie ihr Opfer heiraten. Das, was in Deutschland nur auf der Satirebühne einen Lacher erzeugt, wird in der Türkei Wirklichkeit. Dazu fällt mir tatsächlich nur der Lieblingssatz unserer „Bildungs- und Machtelite“ ein, der wie eine Beschwörungsformel durch die Republik waberte: „Der Islam gehört zu Deutschland.“
Statt derartige Schauergeschichten mit Spott zu belegen, wählt die Nation der Dichter und Denker lieber den Denker Sarrazin, um ihn für seine 495 Buchseiten zu verspotten. Er spricht Wahrheiten aus, die er mit Fakten belegt, die bis heute noch von niemandem widerlegt wurden. Ich bin davon überzeugt, dass 90 Prozent der Schwadronierer im Internet keines der Bücher gelesen haben.
Sarrazin wird gegen den Ausschluss vorgehen, was ich richtig finde. Er hat schließlich politisch, gesellschaftlich und wissenschaftlich mehr für Deutschland getan als es jeder Blubber-Experte, egal welcher Partei bis heute tat. Die gescheiterte Integration damals wie heute in Schule und Gesellschaft sind Belege dafür, dass die SPD bis heute nichts hinzugelernt hat und Helmut Schmidt der letzte großartige Sozialdemokrat mit gesundem Menschenverstand war, den man mit dem Wort Bildung in Zusammenhang bringen darf.
Es scheint müßig, den Parteiausschluss von Herrn Sarrazin zum wiederholten Male zu kommentieren.
Beklagenswert allerdings bleibt, die Tatsache der Demontage durch die Entscheidungsträger in der SPD.
Die Handlungsweise der SPD läßt auch in diesem Fall auf wenig Anregung des Denkapparates bei den Verantwortlichen für den Fortbestand dieser Partei schließen. Wenn nicht bald in den Entscheidungs-gremien der Weckruf nach Selbstbesinnung auf sozialdemokratische Grundwerte ertönt, wird wohl in baldiger Zukunft nur noch das Gewimmer der Totenglocke zu vernehmen sein.
Wie immer, ein sehr gelungener Beitrag. Warum will Sarrazin unbedingt in der SPD bleiben? Als Stachel im verfaulenden Körper der SPD? Oder hat er die Hoffnung, in ihr noch etwas beeinflussen zu können? Oder hängt er an einer lieb gewordenen Tradition? Oder will er seine „Peiniger“ lediglich noch durch seine Anwesenheit ärgern? Fragen über Fragen …
Das würde mich auch interessieren. Es scheint doch wohl klar, dass ein Sarrazin in der SPD kein Gehör mehr findet.