Neujahrsansprache aus Tausend und einer Nacht
Als sich gestern das alte Jahr 2016 mit einer 130 Millionen Euro teuren deutschen Böllerei verabschiedete, ahnten oder spürten viele Bürger dieses Landes, dass dieser Jahreswechsel ein besonderer war, denn er läutete den endgültigen Abschied von einem Deutschland ein, das es nicht mehr geben wird. Dieses demokratische, liberale, großzügige und fleißige Land, das es geschafft hatte, seine 12 Jahre prägende Horrorgeschichte des Dritten Reiches mit einer multikulturellen Antwort zu versehen und sich der Vision eines vereinten Europas hinzugeben, das den Traum einer wirtschaftlichen, aber auch friedensstiftenden Co-Existenz aller Europäer realisieren sollte.
Wer allerdings aufmerksam die Ereignisse in 2016 mit verfolgt hat, wird diesen Jahreswechsel mit Sentimentalität und Sorge absolviert haben. Sentimentalität darüber, dass uns ein endgültiger Abschied von gewohnten gesellschaftlichen und politischen Zuständen bevorsteht und Sorgen darüber, dass wir Zeuge einer ins Negative und Ungewisse führenden Zeitenwende sind, der wir tatenlos zuschauen sollen.
Als wir nach dem Krieg die Gastarbeiter ins Land holten, waren wir durchaus bereit, mit ihnen eine funktionierende Gesellschaft zu gründen, die weder die eigene Sicherheit noch die eigene Kultur einbüßt. Und es sah über weite Strecken so aus, als könnte das, was alle Integration nannten, auch gelingen. Es holperte nur an einer Stelle, und zwar an der damals deutsch-türkischen, wobei die Nationalität vielleicht nicht einmal das Sorgenkind innerhalb dieser Verbindung war. Es war die Mann-Frau-Beziehung, die zum Integrationshindernis wurde … Mütter, die keinen Sprachkurs besuchen durften; Väter, die keinen Sprachkurs besuchen wollten und die immer einen Meter vor ihren Tüten tragenden Frauen in seltener Verkleidung unterwegs waren; Jungen, die in der Schule nicht mitkamen, weil sie sich von Lehrerinnen nichts sagen ließen und es nicht für nötig hielten, die deutsche Sprache für sich zu entdecken; Mädchen, die fleißig waren, allerdings im Sport- und Schwimmunterricht Sonderrechte, für Ausflüge und Fahrten keine Rechte erhielten.
Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es nicht dasselbe
In dieses groß angelegte jahrzehntelange Theaterstück mit dem Titel „Deutschland arbeitet seine historische Schuld ab“ fielen die erfreulichen Ereignisse der Gründung der Europäischen Union und der Wiedervereinigung Deutschlands. Als Angela Merkel allerdings vor Jahren die Multikulti-Republik Deutschland für gescheitert erklärte, wusste schon jeder längst, dass Politik, Justiz, Schule und Gesellschaft den ersten Akt ‚Integration‘ völlig vergeigt hatten.
Als sich dann aber Thilo Sarrazin erdreistete, das Bekenntnis Merkels und das gesamte Versagen unserer Multikultigesellschaft in ein Sachbuch zu gießen, das Wahrheiten offenbart, die viele lieber in der Versenkung belassen hätten, zerbrach die Republik in zwei Teile, in Gut und Böse. Gut war der Mainstream mit seinen Vertretern aus Politik, Medien und Parteien – das eben, was als political correctness auf zwei Beinen unterwegs ist. Zu den Bösen gehörten ab sofort alle Sarrazin-Befürworter, Kritiker einer Kanzlerin und ihrer Gefolgschaft, die noch gestern Multikulti für gescheitert erklärt hatten, um dann 2015 einen weiteren Vorhang für den nächsten Akt des oben genannten Theaterstücks zu öffnen.
Geschichten aus 2016 und einer Nacht
Hörte man zur Neujahrsansprache der Kanzlerin eine Entschuldigung für den Fehler, den sie sich gegenüber ganz Europa geleistet hatte? Hörte man das Eingeständnis und Bedauern ihrer Spontanaktion der unkontrollierten Grenzöffnung vor über einem Jahr? Hörte man die Übernahme von Verantwortung für die unsäglichen Folgen des von ihr verursachten Chaos?
Nein, mit Zuversicht rechnet sie auch weiterhin mit einer schlaftrunkenen Nation, die im „Ja und Amen“ verharrt und politisch gleichgültig bis desinterressiert mehr als nur ihre Bürgerpflicht tut. ( „… warum ich trotz allem für Deutschland zuversichtlich bin und warum ich so sehr von den Stärken unseres Landes und seiner Menschen überzeugt bin.“)
Trotz ihrer Erkenntnis („Die schwerste Prüfung ist ohne Zweifel der islamistische Terrorismus, der auch uns Deutsche seit vielen Jahren im Visier hat.“) lud sie Tausende junger Männer ohne Identität und Papiere nach Deutschland ein, weil sie das Bedürfnis verspürte, diesen ein freundliches Gesicht zu zeigen.
Statt sich nun an die eigene Brust zu schlagen und ihr Bedauern über ihre eigene Fehleinschätzung im Hinblick auf die unkontrollierte Massen-Einreise der männlichen Jugend zu erklären, ordnet sie die Terroristen schlicht den hier Schutzsuchenden zu, die halt vom Weg der Dankbarkeit abgekommen sind. („Es ist bitter und widerwärtig, wenn Terroranschläge von Menschen begangen werden, die in unserem Land angeblich Schutz suchen.“) Nur das Wörtchen ‚angeblich‘ in ihrem Satz lässt erkennen, dass sie von der Realität weiß, die sie bewusst in ihre Beruhigungsfloskeln wickelt.
Fast dilletantisch mutet in ihrer Neujahrsrede ihre Betonung der sozialen Marktwirtschaft an („Zu dem, was mir Mut für unser Deutschland macht, gehört auch unsere soziale Marktwirtschaft“), die längst keine mehr ist. Weder präsentiert sich diese Marktwirtschaft sozial noch zeichnet sie sich durch eine Verteilungsgerechtigkeit aus. Merkels soziale Marktwirtschaft hat mit Erhards ‚Wohlstand für alle‘ nichts mehr zu tun, da ihre neoliberale Ausrichtung die Ungleichheit von Einkommen, Vermögen, Arbeit und Chancen zementiert. Um über die Runden ihrer Wahlprogramme und -versprechen zu kommen, verlagerte sie schon 2008 ihren Schwerpunkt von der Marktwirtschaft auf die Bildung und kreierte den Slogan ‚Bildung für all‘. Aber ob Marktwirtschaft, Bildung, Steuer, Familie, Wirtschaft, Europa … der große längst überfällige Coup zum Zwecke einer Verteilungsgerechtigkeit ist Merkel bis heute nicht gelungen und es festigt sich der Eindruck, dass das Aussitzen a la Kohl auch von ihr Besitz ergriffen hat und ihre großen geplanten Reformen stets als Reförmchen enden.
Nun … neues Jahr, neue Chance! Oder vielleicht doch nur das Ende von Merkels Geschichten über Tausend und eine Nacht.
Die christliche Antwort
Papst Franziskus hat auf diese und alle Neujahrsansprachen unserer Mächtigen eine deutliche und elementare Antwort gefunden: „Diese Wirtschaft tötet.“ Und weiter: „Die Anbetung des goldenen Kalbs hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne menschliches Ziel.“ (Evangelium gaudii)