Deutscher Größenwahn
Am 3. Oktober feierte Deutschland die Wiedervereinigung, die vor 30 Jahren stattfand und Bundespräsident Walter Steinmeier hielt eine emotionslose Jubiläumsrede. Stellen wir die Geschichtsuhr einmal 30 Jahre zurück und erinnern wir uns: „Ein Gespenst geht um in Europa“, titelte die größte italienische Tageszeitung La Stampa – und sie meinte damit die Wiedervereinigung.
Das war die Reaktion auf Italiens Premier Giulio Andreotti, der gesagt hatte: „Es gibt zwei deutsche Staaten und zwei sollen es auch bleiben.“ Polens Außenminister Krzysztof Skubiszewski hatte sich mit folgender Bemerkung geäußert: „Die Selbstbestimmung ist eine schöne Sache, aber mit den Deutschen ist es etwas anderes.“
Oskar Lafontaine warb schon sechs Wochen vor Öffnung der DDR-Grenzen im SPIEGEL (39/1989) um „Vorsicht . . . mit unbedachten Wiedervereinigungsparolen. Das Gespenst eines starken Vierten Deutschen Reiches erschreckt unsere westlichen nicht weniger als unsere östlichen Nachbarn“.
Wie recht er damit hatte, beweisen Aussagen und Befürchtungen von allen Seiten und heute wissen wir, dass etliche dieser Befürchtungen auch wahr geworden sind. „Fürchtet Euch vor den Deutschen“, warnte das französische Magazin Challenge, die „könnten uns lebendig verzehren“.
Der Spiegel warnte sehr eindringlich vor den möglichen negativen Auswirkungen einer deutschen Wiedervereinigung. „Angst geht um vor einer wirtschaftlichen Übermacht der Deutschen in Europa, einem ‚neuen Superstaat“ (Wall Street Journal). Ein sich bildender ‚80 Millionen starker Industriekoloß im strategischen Herzen Europas“ (Business Week) „könnte Frankreich, Großbritannien und Italien zusammen leicht übertreffen“ (Financial Times). Und mehr noch: „Die ökonomische Eroberung der DDR wird nur der erste Schritt der Expansion Bonns nach Osteuropa sein. Der ,Drang nach Osten‘ war noch niemals so stark wie in diesem Moment.“ (Panorama/Italien).
Putins Friedensangebot an die EU
Und der Drang nach Osten hat sich dann ja auch in Deutschland, Europa und in der Nato Bahn gebrochen. Genschers Versprechen, sich dem Warschauer Pakt nicht mit Erweiterungsgesuchen zu nähern und Expansionswünsche zurückzuhalten, wurden selbst zu einem Zeitpunkt missachtet, als die Annäherung Putins an die EU am größten war.
Erinnern wir uns an Putins Rede im deutschen Bundestag am 25. 9. 2001, die man im Nachhinein nur als „ignoriert“ bezeichnen kann. Und das, obwohl ein noch nie dagewesenes Friedensereignis erster Güte im Bundestag stattfand.
Was sagte Putin? Wer nach den Terroranschlägen in den USA nach den Schuldigen frage, müsse erkennen, dass alle daran schuld seien – „vor allem wir, die Politiker“. Sie lebten noch in alten Wertesystemen und hätten noch nicht gelernt, einander zu vertrauen. „Der Kalte Krieg ist vorbei“, betonte Putin. Welch eine Aussage von historischer Bedeutung! Er sprach die mangelhafte Partnerschaft zwischen Ost und West an und konstatierte, dass es ohne Aufbau eines Klimas des Vertrauens keine einheitliche Sicherheitsarchitektur in Europa und der Welt geben werde.. Ein klares Bekenntnis Putins zur Integration Russlands nach Europa.
„Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird“, sagte er.
Was aus seinem Angebot geworden ist, wissen wir heute und ich werde mich hier nicht der deutschen Arroganz anschließen, Putin für den heutigen Zustand der Welt die Schuld zuzuweisen.
Es genügt völlig, sich heute Deutschland in Beziehung zur EU, zu Russland und den USA anzuschauen, um zu begreifen, was alles im Argen liegt. Allein der Brexit, der von einer enormen Portion Häme deutscher Besserwisser begleitet wurde, spiegelt die deutsche Arroganz wider, dass nur am deutschen Wesen die Welt genesen kann und deutsches Handeln die Maxime für europäische Politik darstellt. Das werden Griechen, Italiener, Spanier, Polen, Ungarn und weitere Länder bestätigen. Putin und Trump sollte man besser auch nicht nach der Sinnhaftigkeit deutscher Außenpolitik befragen.
Der deutsche Palast der Republik
Arroganz, Besserwisserei, Überheblichkeit, Selbstgerechtigkeit sind Bezeichnungen, die aus Beurteilungen von EU-Bürgern aus einer Umfrage aus 2013 stammen. Deutschland selbst bestätigt seinen Größenwahn durch das zweitgrößte Parlament nach China. 709 Abgeordnete lassen den Bundestag schon heute aus den Nähten platzen. Gesetzlich vorgesehen sind 598. In der Großen Halle des Volkes in Peking finden 2897 Abgeordnete Platz. Sie repräsentieren rund 1,4 Milliarden Chinesen. In Deutschland kommen auf 709 Abgeordnete rund 83 Millionen Bürger.
Und dann das Bundeskanzleramt: Es ist jetzt schon die größte Regierungszentrale der westlichen Welt mit 25.347 Quadratmetern Nutzfläche – acht mal größer als das Weiße Haus in Washington, zehn mal größer als Downing Street in London und dreimal größer als der Élysée-Palast in Paris.
Doch nicht genug damit:
Dieses Bundeskanzleramt soll nun bis zum Jahr 2028 auf 50.000 Quadratmeter erweitert werden – das beschloss die RiesenGroKo ohne den Widerspruch irgendeiner Gegenstimme des Bundestages schon im Januar 2019. Kein Regierungssitz in der Welt wird mit dem angekündigten „Zweckbau“, der laut Planung aber zum Protzbau werden wird, auch nur im Geringsten konkurrieren können.
- Kindergarten für 12 bis 15 Kinder für 2,8 Mill. Euro
- 9 Wintergärten auf 5 Etagen mit Verglasung, Sonnenschutz, Befahranlagen für 14 Mill. Euro
- Verdoppelung der Bürofläche für 400 Mitarbeiter. Quadratmeterpreis 18.529 Euro
- Zweite Kanzlerwohnung mit 250 Quadratmetern Größe
- 176 m lange Brückenverbindung über die Spree für 18,1 Mill. Euro
- Hubschrauberlandeplatz für 10 Mill. Euro auf einem 23 Meter hohen Sockel.
Das zunächst mit 400 Millionen Euro dotierte Projekt wurde inzwischen auf 600 Millionen erhöht, was dem Bundesrechnungshof als unhaltbare Untertreibung vorkommt.
Der erste Prunkbau der Bundesrepublik Deutschland (frei nach Speer) ist die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes BND in Berlin (ich berichtete darüber). Er hat ja seine Insassen schon bei sich aufgenommen.
Man mag sich nur noch schämen ob einer derartigen Prunk- und Verschwendungssucht einer Regierung, die heute darüber befindet, dass Menschen ihre Existenz verlieren, sich umbringen oder ohne Begleitung versterben. Ein Skandal, der seinesgleichen sucht in einem Irrenhaus, in dem Drosten, Spahn, Merkel und Lauterbach das Marionettentheater anführen.
Von Demokratie entkernter Bundestag überflüssig
Trotz Corona bleibt Deutschland auch in diesem Jahr fünftgrößter Waffenlieferant der Welt. Regierung und Schlafvolk sind schließlich mit Corona so umfassend beschäftigt, dass andere Themen auf der Strecke bleiben. Außerdem ist der Bundestag als Debattier- und Abstimmungsgremium längst überflüssig geworden, und zwar schon vor Corona, was die Infektionsschutzverordnungen nur bestätigt haben. „Während die UN zum weltweiten Waffenstillstand aufrufen, um die Coronavirus-Pandemie zu bekämpfen, gießt die Bundesregierung mit ihren Kriegswaffen in Krisengebieten Öl ins Feuer“, äußerte die Politikerin der Linken Dagdelen. „Wir brauchen einen sofortigen Waffenexportstopp und eine Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Güter wie medizinische Geräte. Es ist Zeit, für das Leben statt für den Tod zu produzieren.“
Äußerungen in einer Zeit politischer Gleichgültigkeit an Themen, die nichts mit der Pandemie zu tun haben. Unter dem noch bekannten Staatsbegriff „Propaganda und Agitation“ veranstaltet unser Polit-Büro mindestens bis März des nächsten Jahres sein Trauerspiel „Verblödung und Irritation“ unter der Prämisse „Regierungskonforme Maßnahmen ohne Widerspruch“.
Das wird der Weg in den Great Reset (den großen Neustart) – nicht nach Corona, sondern mit Corona. Ein beschleunigtes und sogar globales Verfahren. Und da Deutschland nun schon zum dritten Mal die Vorreiterstelle in der Welt einnimmt (Flüchtlingsaufnahme, Klimapolitik, Pandemiebekämpfung), wird die Welt Merkels architektonisches Großmachtprojekt hinnehmen müssen. Es wird nicht der erste Palast der Republik sein, der gebaut wird und sicher auch nicht der letzte.
Meine Sehnsucht bezüglich des erneuten deutschen Größenwahns besteht aus der Hoffnung, dass das geplante Bauprojekt auf Berliner Boden entstehen soll, ausgeführt von Menschen, die mit Maske noch schlechtere Luft atmen als diejenigen, die über Jahre bewiesen, dass in dieser Stadt die Unfähigkeit beheimatet ist, überhaupt ein sinnvolles Projekt zustande zu bringen.
Möge also das geplante Regierungsbauprojekt so enden wie der unvollendete Berliner Flughafen, auf dem die Welt-Elite nicht landen wird, weil sie den „Führerinnenbunker“ auch nicht besuchen will.
Wie hat der Kollege beim letzten Bürgertreff so treffend gesagt:
Römische Dekadenz.
Daran geht unser Land zugrunde.