Auch die Kirchen in der Krise

Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust

Mein Schulleben begann noch zu Volksschulzeiten und der wöchentliche Religionsunterricht bei Fräulein Borgler war im Stundenplan verankert. Fräulein Borgler war das, was meine sehr fromm katholische Großmutter „eine alte Jungfrau“ nannte. Alt war sie, fanden wir Kinder, aber warum sie dann auch noch Jungfrau hieß, erschloss sich uns nicht. Entweder war sie nun „alt“ oder eine „Jungfrau“. Beides zusammen passte doch gar nicht! Wer weiß , was die Großmutter da so zusammen phantasierte.
Völlig egal… was Fräulein Borgler uns erzählte, war jedenfalls interessant und spannend. Biblische Geschichten waren das von verlorenen Söhnen, von Frauen, die zu einer Salzsäule erstarrten, einem Gott, der aus drei Leuten bestand und der zaubern konnte. Manchmal mussten wir auch Gebete lernen, denn im 3. Schuljahr sollten wir alle zur Ersten Heiligen Kommunion gehen.
Der Gott, der Chef von uns allen, hatte verfügt, dass alle Menschen sechs Tage arbeiten sollten und am siebten Tag, also am Sonntag, zur Kirche gehen mussten, um ihn zu besuchen und um zu ihm zu beten.
Großmutter erzählte mir einmal, dass sie in Polen jeden Sonntag 7 km durch Regen, Eis und Schnee zur Kirche musste, weil ihre Großmutter in einem kleinen Dorf fernab der nächsten Kirche wohnte. Da brauchte ich mich gar nicht erst beschweren! Ich hatte die Kirche am äußersten Ende unserer recht langen Straße und brauchte dafür zehn Minuten Fußweg.
Gemeinsam mit dem Erwachsenenrecht, die heilige Kommunion empfangen zu dürfen, erwarb man auch die Pflicht, beichten gehen zu müssen. Ich weiß, dass ich vor meiner ersten Beichte meine Großmutter fragte, was ich da eigentlich erzählen sollte und es schien fast so, als hätte selbst Großmutter nicht so recht gewusst, was sie oder ich da als Sünde bereuen sollten.
Die Jungens mussten sonntags sogar arbeiten und als Messdiener dem Pastor oder Kaplan zur Hand gehen. Sie machten Kniebeugen, trugen Kännchen mit Wasser und Wein durch die Gegend und läuteten die Glocken.

So präsentierte sich die katholische Kirche in den 60er Jahren. Autorität war ihr sicher. Dafür nahmen die Gläubigen am gesamten Kirchenjahr teil mit Andachten, heiligen Messen, Hochämtern und großen Feiertagen wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Eingebunden in die Gemeinde sammelte man für den guten Zweck, tat seinen Obulus in den Klingelbeutel und baute Fronleichnam wunderschöne Altäre für die Prozession, bei der alle singend und betend durch die Straßen zogen mit dem Pastor an der Spitze.

Diese Idylle verflüchtigte sich mehr und mehr, je wohlhabender die Menschen wurden. Auch das Fernsehen, der zunehmende Informationsfluss sowie die Kulturrevolution der 68er sorgten für eine Abkehr von den Dogmen des kirchlichen Lebens.
Zum ersten Mal in Deutschland erhob sich während des 82. Katholikentags in Essen offener Widerstand gegen die Amtskirche. Der 82. Katholikentag 1968 kann deshalb als wichtige Zäsur in der Geschichte des Katholizismus in der Bundesrepublik betrachtet werden. Es bildete sich das Forum „Kritischer Katholizismus“, der sich mit den Fragen Empfängnisverhütung, Antibabypille, vorehelicher Verkehr sowie mit Ehe und Familie auseinandersetzte. Junge Katholiken wollten eine politische Kirche, die sich einmischt und Unrecht beseitigt, sie wollten keine unhinterfragten Autoritäten mehr und eine Befreiung von der rigiden Sexualmoral.
Das katholische Festhalten am Verbot von Pille und Kondom durch die Enzyklika von 1968 „Humanae vitae“ wurde von den meisten abgelehnt. Es passte nicht in die Zeit der sexuellen Revolution, in der es gleichsam keine Sünde mehr gab. Moral und Recht wurden getrennt. Unter anderem wurden Ehebruch, Pornographie und die Förderung vorehelichen Geschlechtsverkehrs („Kuppelei“) nicht mehr unter Strafe gestellt. Das gesellschaftliche „Sodom und Gomorrha“ nahm seinen Lauf.

Es begann die Zeit der Kirchenaustritte und es endete die Zeit der Priesterweihen. Die Anzahl der Austritte aus der katholischen Kirche in Deutschland stieg in den 60ern von etwa 20.000 auf über 60.000 an und erreichte in den 70ern fast die 70.000er Marke. Die aktuellen Zahlen liegen bei über 150.000 Austritten pro Jahr. Die evangelische Kirche traf es noch viel schlimmer. Bereits 1970 traten über 200.000 aus ihr aus. Mit dem Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe innerhalb der katholischen Kirche brach für viele Katholiken die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Werte restlos zusammen und sie traten aus.

Eine gläubige Christin hat mir ihren Brief, mit dem sie ihren Kirchenaustritt aus der katholischen Kirche der Geistlichkeit mitteilt, zur Verfügung gestellt. Mit ihrer Erlaubnis erscheint er hier. Er trägt das Datum 05.07.2019.

Sehr geehrter Herr Pastor X,
gerne nehme ich Bezug auf Ihr Schreiben vom 22.06.2019 bzgl. meines Kirchenaustritts und möchte Ihnen im Folgenden dazu meine Erklärung abgeben.
Es ist mir nicht leicht gefallen und ich habe sehr lange mit mir gerungen, diesen Schritt zu vollziehen. Nach wie vor fühle ich mich dem christlichen Glauben verbunden und versuche innerhalb meiner Familie und unserer Gesellschaft nach den Regeln des Christentums zu leben. Nur der „Institution Kirche“, so wie sie sich heutzutage nach außen hin darstellt, fühle ich mich seit langem nicht mehr verbunden und ich will dieses System nicht länger unterstützen.

Unsere Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Wir werden mit viel zu vielen Informationen überfordert und haben Mühe, uns ein eigenes Bild über die komplexen Vorgänge in der globalen Welt zu machen. Ich bin Anfang der 50iger Jahre geboren, streng katholisch erzogen worden und erlebe derzeit, dass alles was einmal richtig und wichtig war, nun von den Füßen auf den Kopf gestellt wird. Nun könnte ich vieles dazu schreiben, was mich als besorgte Bürgerin, Mutter und Großmutter besonders an der Politik ärgert, aber ich beschränke mich auf den Zustand innerhalb unserer christlichen Kirche.

Es ist mehr als verstörend, wie sich Bischöfe, Kardinäle und auch der Papst dem Islam anbiedern, so als würden sie die Geschichte dieser Religion bewusst ausblenden und als hätten sie nie von Mohammed, dem Gründer dieser Religion und seiner Schrift, dem Koran, gehört. Unfassbar für mich war auch, als am 20. Oktober 2016 der katholische Kardinal Marx und der evangelische Bischof Bedford-Strohm auf dem Jerusalemer Tempelberg vor einem Muslim ihr Amtskreuz ablegten. Ein unerträgliches feiges Verhalten! Warum hört man von diesen Kirchenvertretern nichts darüber, wenn, wie und wo Christen verfolgt, vertrieben, gefoltert und oft grausam getötet werden??? Stattdessen werden all diejenigen, die auf der Basis von Fakten vor einer Islamisierung Europas und ganz besonders von Deutschland warnen, kirchlicherseits beschimpft und marginalisiert.
Wer an Christus glaubt, der sollte auch die Existenz des „Antichristen“ zur Kenntnis nehmen!

Sehr geehrter Herr Pastor X, aus diesem Schreiben entnehmen Sie hoffentlich, wo mein ganz persönlicher Hauptkritikpunkt gegenüber der christlichen Kirche liegt. Selbstverständlich haben aber auch der Missbrauchsskandal und der Umgang seitens der Kirche damit den entscheidenden Grund für meinen Entschluss geliefert.
Es tut mir leid, aber ich kann mich derzeit mit dem Wirken dieser Kirche nicht mehr identifizieren.
Das Gemeindeleben innerhalb unserer Pfarrei war für mich immer eine Bereicherung und ich bedauere, dass ich mit meinem Austritt auch hier eine Distanz erleben werde.
Für Ihren Brief und Ihre Aufmerksamkeit bedanke ich mich und wünsche Ihnen persönlich alles Gute und Gottes Segen. Beten Sie bitte für mich und viele andere, die sich aus Verzweiflung oder Frust von der Kirche abwenden.

Mit herzlichen Grüßen

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