Gastbeitrag von Carsten Redler
Minuszinsen – Die Enteignung der Sparer geht weiter
Deutschlands 57 Mio. Sparer sind die Verlierer der Geldpolitik der EZB (Europäische Zentralbank). Bereits durch die bisherigen Niedrigzinsen der EZB haben die Sparer im Zeitraum 2010 bis 2019 ca. 648 Mrd. Euro verloren. Dies ergab eine Berechnung der DZ Bank (Handelsblatt 15.05.2019). Dem stehen 290 Mrd. Euro an Einsparungen bei den Kreditnehmern gegenüber.
Im laufenden Jahr 2019 wird sich der Verlust für die Sparer auf 54 Mrd. Euro belaufen. 2010 waren es noch 24 Mrd. Euro. Der Verlust steigt stetig an und wirkt sich insbesondere auch auf die Altersvorsorge der arbeitenden Bevölkerung aus. Gleichzeitig wird die Rentenhöhe beschnitten. Die Altersarmut wird in der Folge zunehmen.
30 der rund 1600 deutschen Geldhäuser berechnen den Sparern bereits einen Negativzins in Höhe von -0,4 %.
Notwendig geworden ist die massive Absenkung der Zinsen durch die hohe Staatsverschuldung in einigen Ländern der Eurozone wie z. B. Griechenland, Zypern und Italien.
Dazu kommt noch, dass die Wirtschaft in Europa wahrscheinlich in eine Rezession schlittern wird. Das wiederum bedingt, dass die Steuereinnahmen kleiner werden, was wiederum die Schuldenkrise der ohnehin hoch verschuldeten Euro-Staaten verstärken würde.
Das Maastricht-Kriterium (Begrenzung der max. Staatsschulden auf 60 % des Bruttosozialproduktes eines Landes) wurde und wird von einer Vielzahl der Euro-Länder nicht eingehalten. Nach 16 Jahren als Defizitsünder unterschreitet Deutschland erfreulicherweise aktuell das Defizitziel. Aber schon schreien die Parteien der Grünen und Linken, der Staat solle endlich wieder mehr Schulden machen, womit die verfassungsmäßig beschlossene Schuldenbremse in Frage gestellt wäre.
Die Party können dann die folgenden Generationen bezahlen, sofern das Geld nicht in zukunftsbildende und nutzenstiftende Bereiche gesteckt wird, wovon auch die nachfolgenden Generationen noch profitieren.
Hätte die EZB die Zinsen nicht bis in den Null- bzw. negativen Bereich gedrückt, wären die überschuldeten Euro-Länder schon längst Pleite gegangen, da die Schuldentragfähigkeit an ihre Grenzen gestoßen wäre. Die negativen wirtschaftlichen und politischen Folgen für Europa wären gewaltig gewesen.
Darüber hinaus versucht die EZB seit Jahren die Staatsschulden weg zu inflationieren, indem sie (diese) Staatsanleihen aufkauft und so absurde Geldmengen (Billionen Euro) in den Markt drückt und damit eine indirekte Staatsfinanzierung betreibt.
Durch den Null- bzw. Negativzins der EZB werden die Sparguthaben bei der gegenwärtigen Inflation kontinuierlich entwertet. Realzins = Nominalzins (gegen 0,0 %) – Inflation (ca. 1,5%) = -1,5 % Entwertung pro Jahr.
Der Zinsentscheid vom 12.09.2019
Bei dem am 12.09.2019 vorgelegten Zinsentscheid, wurden die Negativzinsen für Kreditinstitute auf Einlagen bei der EZB von -0,4 % auf -0,5% erhöht. Zur Entlastung der Banken werden sogenannte Staffelzinsen eingeführt (Freibeträge).
Des Weiteren werden auch wieder monatlich für 20 Mrd. Euro Staatsanleihen durch die EZB ohne zeitliche Befristung erworben (indirekte Staatsfinanzierung).
Der Zinsentscheid der EZB zementiert den zinslosen Zustand auf Jahre hinaus.
Die EZB sitzt so lange in dieser Falle, bis die Staaten der Eurozone ihre strukturellen Defizite in den Griff bekommen. Das bedeutet, dass notwendige und für die Bevölkerung häufig „schmerzhafte“ Reformen unterblieben sind (aus Angst vor den Wählern). Die Methode der Wahl für diese Politik nennt man: Verschleiern und verschleppen.
Einstein sagte einmal, dass es Wahnsinn ist, immer das gleiche zu tun und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten. Dieser Satz könnte auch auf die EZB zutreffen (ständige Zinssenkungen und Käufe von Staatsanleihen zur Erhöhung der Inflation, was bislang nicht im gewünschten Maß gelingt).
Wichtiger Bestandteil zur Lösung der Schuldenkrise der Staaten ist neben strukturellen Reformen in den Euro-Staaten ein wirtschaftliches Wachstum. Dieses Wirtschafts-wachstum wird aber nur durch eine Erhöhung der Produktivität erreicht, was die Nachfrage erhöht und somit die Wirtschaft in Schwung bringt. Was zurzeit fehlt, sind nicht Zinssenkungen, sondern Innovationen, in welche es sich lohnt zu investieren, um die notwendigen Renditen zu erwirtschaften.
In der Folge würden wieder mehr Kredite vergeben werden, die Nachfrage nach Geld stiege an und damit auch der Marktzins. Die Steuereinnahmen verbesserten sich, die Staaten könnten in wirtschaftlich guten Zeiten den Staatshaushalt wieder finanzieren und die aufgelaufenen Schulden idealerweise tilgen.
Des Sparers Qualen durch die (sinnlose) Zinsentscheidung der EZB
Für den normalen Sparer ergibt sich folgende rechnerische Situation: Zinsen für Sparguthaben 0,00 % ; Unterstellte Ø Inflation 1,50 % ; Entwertung des Guthabens -1,50 % (pro Jahr).
Sollten gleichzeitig noch Strafzinsen auf das Guthaben durch die Banken an den Sparer berechnet werden, so erhöht sich die jährliche Enteignung auf 2,0 %. Auf 10 Jahre berechnet, beträgt der Wertverlust somit ca. 22 %. Aus 10.000,00 Euro werden somit wertmäßig 7.800,00 Euro, ohne dass der Sparer auch nur einen Cent ausgibt.
Die EZB definiert Geldwertstabilität bei einer Inflation von nahe 2 %. Das ist nicht nur merkwürdig, sondern auch frech, Entwertung mit Stabilität zu verwechseln. Oder? Selbst bei Überschreitung der 2 % würde der Zustand von der EZB immer noch als „stabil“ bezeichnet werden.
Auf dem Weg dorthin befindet sich die EZB, denn sie versucht krampfhaft, die Inflation zumindest zeitweise auf über 2 % zu treiben. Dementsprechend würde sich der Wertverlust des Geldes weiter erhöhen (bei 4 % Entwertung beträgt der Wertverlust schon 48 % in 10 Jahren). Das bedeutet fast eine Halbierung des mühsam erworbenen Vermögens.
Die Regierung ruft den Bürger regelmäßig auf, Geld für das Alter zurückzulegen. Welch ein Hohn, wenn nach 40 Jahren das nominal Ersparte real nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Wertes darstellt.
Alle Bemühungen, auch im Alter die mit Sicherheit kommende Versorgungslücke aufzufangen, wären vergebens, wenn es nicht gelingen sollte, eine höhere Verzinsung über den aktuell negativen Realzins zu erwirtschaften. Negative (oder verlorene) Prozentpunkte in einzelnen Jahren wirken sich durch den Zinseszinseffekt gravierend auf die Gesamtrendite gerade über lange Zeiträume aus.
Die immer wieder vom Staat geforderte „vermehrte Eigenverantwortung“ des Bürgers wird in diesem Zusammenhang massiv eingebremst.
Die negativen Realzinsen wirken wie eine „indirekte Steuer“ für (Vorsorge-) Sparer.
Der Sparer wird damit auf der Suche nach Rendite förmlich in das Risiko (Aktien, Immobilien, Gold etc.) getrieben. Denn nur mit steigendem Risiko kann derzeit eine Entwertung des Sparvermögens vermieden werden. Dies ist wiederum mit der Gefahr verbunden, dass sich sogenannte „Blasen“ in diversen Vermögensklassen bilden (z. B Immobilienblasen), die dann auch wieder platzen können, was einen weitreichenden Vermögenverlust mit sich bringen würde.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Vermögenswerte durch die niedrigen Zinsen steigen, was häufig aus den Augen verloren wird. So stiegen die Immobilienpreise wesentlich schneller als die Verbraucherpreise. Dies führt dazu, dass es für Normalverdiener z. B. immer schwerer wird, Wohneigentum zu erwerben.
Die Regierungen müssen schnellstens darauf hinarbeiten, das Finanzuniversum wieder zu normalisieren, damit ein Crash in der Zukunft vermieden werden kann.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann, äußerte sich kritisch über die Entscheidung der EZB. Die EZB müsse „darauf achten, dass das, was sie tut, die Menschen nicht zutiefst verunsichert“, riet er. „Dazu gehört auch, dass die Menschen sich darauf verlassen können, dass das Geld seinen Wert behält“ (Welt vom 13.09.2019).
Zwar ist die EZB die zuständige Institution für die Geldpolitik und damit auch für den niedrigen Zins. Die eigentliche Verantwortung haben jedoch die Staaten mit ihrer Finanzpolitik (Maßnahmen des Staates bzw. der Euro-Staaten zu Einnahmen und Ausgaben). Hierum ist es in einigen Ländern der Eurozone allerdings nicht gut bestellt.
Die EZB ist letzten Endes der Ausputzer für die Folgen der verfehlten Finanzpolitik in der Eurozone (Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Maastricht-Kriterien durch einige Länder). Dieser Vertrag ist nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben steht. Es ist de facto Stand heute so wie es scheint, nur eine unverbindliche Absichtserklärung, da permanent dagegen verstoßen wird. Eine Sanktionierung durch die Vertragsgemeinschaft erfolgt aus diversen Gründen nicht. Und so sind und bleiben alle einfach nur „ziemlich beste Freunde“.
In diesem Zusammenhang ist es wohl wieder einmal an der Zeit, sich den Wortlaut des Amtseides für Kanzler/innen und Minister/-innen der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 56 des Grundgesetzes durchzulesen:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“
Mein Kommentar dazu: „Papier ist geduldig – der Bürger scheinbar auch!“