Majestätsbeleidigung im 21. Jahrhundert
Was ist das für eine Welt und eine Politik, in der ein Diktator mit einem Kahlschlag den Rest von Demokratie und Meinungsfreiheit jetzt auch in Deutschland wegfegen darf? Für den türkischen Präsidenten Erdogan eine der leichtesten Übungen, bei denen er es zu einer Rekordhöhe brachte, indem er sich inzwischen über 1800 mal von Kritikern jeglicher Berufsgruppen in seinem Land beleidigt gefühlt hat und seine Machtbefugnis dahingehend missbraucht, dass er diese Menschen zum Teil als Terroristen bezeichnet und einsperren lässt. Schon mehrmals hat er selbst Kinder angeklagt. Einem Zwölfjährigen und einem 13-Jährigen drohte eine Gefängnisstrafe, weil die beiden ein Plakat mit Erdogans Konterfei abgerissen hatten – eine Beleidigung des Präsidenten. Die Staatsanwaltschaft forderte Gefängnisstrafen zwischen 14 Monaten und vier Jahren für die Schüler.
Ein anderes Mal war Erdogan beleidigt, weil sich ein Junge auf Facebook über ihn geäußert hatte. Der 13-Jährige wurde im Februar 2015 im Klassenzimmer festgenommen. Auch ein 17-Jähriger wurde bereits wegen Präsidentenbeleidigung zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt, weiß der Spiegel zu berichten.
Die Causa Böhmermann hat allerdings eine Dimension, die unsere westlichen Werte in ihren Fundamenten erschüttert. Und doch ist dieser Vorgang die logische Folge einer Entwicklung, die Merkel in Gang gesetzt hat. Denn so wie sie Erdogan zum „Ausputzer“ ihrer und damit auch der europäischen misslungenen Flüchtlingspolitik machte, reicht sie auch jetzt nach bewährter „Merkel-Manier“ den unliebsamen Patienten Böhmermann an die Justiz weiter.
Bei aller Ablehnung des Mannes, der Menschenrechte mit Füßen tritt und auf die Couch des Psychologen gehört, darf man ihm auch Respekt zollen, denn während sich die Deutschen und die Europäer nicht mit Wissen über den Islam besudeln, haben sich die Muslime über uns schon längst schlau gemacht. Nur so ist es möglich, dass uns ausgerechnet Erdogan ein Gesetz vor die Nase hält, das kein Jurist, kein Politiker, kein Bürger auf seiner Festplatte hatte, den Paragraf 103 der Majestätsbeleidigung, ein Überbleibsel aus der Kaiserzeit.
So wie der Demokrat Böhmermann die Grenze des Anstands unter dem Deckmantel der satirischen Meinungsfreiheit überschreitet, beweist der Undemokrat Erdogan, dass er nicht nur das deutsche Recht, sondern auch seinen Koran kennt: „Er ist’s, der seinen Gesandten mit der Leitung und der Religion der Wahrheit entsandt hat, um sie über jede andere Religion siegreich zu machen, auch wenn es den Götzendienern zuwider ist (61,9/48,28).“