Verkehrsminister Scheuer in der Dauerkritik
Ein Beitrag von Kurt Rohmert
Das Maut-Debakel steht symptomatisch für die wenig überzeugende Politik des Verkehrsministers. Dagegen sollte das bundeseigene Unternehmen „Autobahn GmbH“ positive Schlagzeilen bringen. Doch die Kosten für die riesige Reform sind höher als erwartet. Mit gigantischen Mehrkosten ist für das Projekt, das für Planung, Betrieb und Erhalt des bundesweiten Autobahnnetzes zuständig ist, zu rechnen.
Alte Kritik an Scheuer
Nach den Wahlen 2017 waren die Erwartungen hoch, als Scheuer das Amt des Verkehrsministers (ab 2018) übernahm. Doch spätestens seitdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Ausländermaut (ein CSU Lieblings-Projekt) beerdigt hat, steht der Minister unter deftiger Kritik. Schon bei der Ankündigung 2014 galt, dass Mautsysteme in Einklang mit den Grundsätzen des EU-Vertrags stehen müssen. Folglich war mit Klagen anderer EU-Staaten gegen das Vorhaben von Scheuers Vorgänger, Minister Dobrindt, zu rechnen.
Fachleute sahen sowohl das Konzept (von 2014) als auch den Kompromiss von 2016 für europarechtswidrig. Nach dem Urteilsspruch kündigte Scheuer noch am gleichen Tag die Verträge mit den Betreibern, was zu Schadensersatzforderungen in Höhe von 500 Millionen führen könnte. Doch damit nicht genug. Gutachten von Grünen und der FDP gingen von einem Verstoß gegen das Grundgesetz aus, der Vertrag hätte einer Zustimmung durch den Bundestag bedurft. Doch der Streit eskalierte weiter, von unrichtigen Angaben des Ministers war die Rede. Ein Ergebnis im Untersuchungsausschuss war, dass „am Ende die Frage offen blieb, ob Scheuer das Parlament belogen hat oder nicht.“
Wozu die Autobahn GmbH?
Bund und Länder haben 2017 eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen beschlossen. Bis dahin wurden die Autobahnen von den Ländern, z.B. in NRW durch strassen.nrw, gebaut, betrieben und unterhalten. Bezahlt wurde vom Bund. Mit der neuen Staatsfirma wollte man das Autobahnnetz wieder auf Vordermann bringen, vor allem sollten die Straßenbauprojekte beschleunigt werden. Als Folge der Föderalismusreform sollte dann ausschließlich der Bund die Autobahnen betreiben, nicht mehr die Bundesländer. So der Plan.
Scheuer (mit Studium der Politik, gegen den es auch schon mal Plagiatsvorwürfe gab, wer hätte das gedacht) sollte dafür der richtige Mann sein. Ein CSU-Politiker, der gern mit hochtrabenden Sprüchen auftritt. So nannte er sein Prestigeprojekt „das Großhirn der deutschen Autobahnen“. Recht hätte er, das Vorhaben wäre in der Tat die größte Reform in der Geschichte der Autobahnen.
Warum war diese Reform nötig? Es ging um eine Neuorganisation des Autobahnnetzes, es sollten nicht mehr die Länder im Auftrag und auf Kosten des Bundes tätig sein. Die neue privatrechtlich organisierte Gesellschaft sollte zwar unternehmerisch wirken, aber zu 100% Eigentum des Bundes bleiben und daher eine Privatisierung von Teilstrecken verhindern, so das Ziel des Parlaments und vor allem des Bundesrechnungshofes. Vom einheitlichen Management erwartete man mehr Effizienz, aber auch bessere Kontrolle.
Zu den Aufgaben, die die GmbH übernehmen sollte, zählen die 13.000 Autobahnkilometer, also die Infrastruktur mit Pflege, Wartung, Reparatur und Bau. Dazu beschäftigt die Gesellschaft derzeit 10.000 Mitarbeiter in zehn Niederlassungen. An einer Aufstockung auf 15.000 wird gearbeitet. Die Durchführung der hoheitlichen Aufgaben obliegt dem Fernstraßen-Bundesamt (früher die Länder). Finanziert wird das Ganze durch die LKW-Maut und eine Infrastrukturabgabe der PKW-Halter (?).
Gründlich vergeigt, krasser Fehlstart
Doch es kam anders. Die Auftaktbilanz der seit Jahresbeginn tätigen Autobahn GmbH ist ein Debakel, anders kann man es nicht nennen. Die Grundidee war durchaus richtig, doch mit dem falschen Minister konnte man diese Misere durchaus kommen sehen. Derweil beschwichtigen die Verantwortlichen. Ihr Urteil lautet unverständlich, aber wie immer „Nach den ersten Ruckeleien läuft es gut (so Scheuer) “. Da könnte man fragen, wie sieht es aus, wenn es schlecht läuft?
Doch wie kann das sein? Während das Verkehrsministerium feiert, drohten die ersten Unternehmen im April damit, ihre Arbeit einzustellen. Z.B. der Bremer Unternehmer Jan-Gerd Kröger verwies auf nicht bezahlte Rechnungen in nicht unerheblicher Höhe. Wenn die Straßenbauer an die Öffentlichkeit gehen und die Einstellung der Wartung und Instandhaltung ankündigen, sollte man hellhörig werden. Wir brauchen uns nicht zu wundern, warum die Arbeiten generell so schleppend erfolgen, Baustellen verwaist sind, sogar Baustopps drohen. Es liegt an der schlechten Zahlungsmoral, das Ministerium gibt offene Rechnungen in Höhe von sage und schreibe 600 Millionen Euro zu (im Bericht an den Verkehrsausschuss).
Eigentlich war das so nicht geplant. Marode Autobahnen und Brücken auf der einen Seite, staatlich verursachte Liquiditätsprobleme im Baugewerbe auf der anderen. Mit dieser Reform hatte man uns mehr Effizienz und mehr Tempo versprochen. Nach den ersten 100 Tagen lautet so das Urteil: unausgegoren, teuer, verheerend und überhastet.
Die einzigen Probleme?
Die versprochene Neuorganisation aus einer Hand bedeutet auch, dass die gesamte IT-Struktur umgestellt werden muss. Das ist eine Mammutaufgabe, zugegeben. Aber nach vier Jahren ist man nicht viel weiter. Man geht davon aus, dass die Harmonisierung aller Systeme noch bis 2024 dauert. Grund: ungelöste Probleme! Dagegen wirken die Personalprobleme fast unwichtig.
Neben der Integration der Gesellschaften der Bundesländer sollte auch die seit der Einheit agierende DEGES (Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und bau GmbH, Länderaufgabe) mit der neuen Gesellschaft verschmolzen werden. Hier stellte aber der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten fest, dass das Vorhaben nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Problem heißt „Mischverwaltung“, d.h. die Länder sind für Aufgaben des Bundes tätig. Auch der Bundesrechnungshof hatte vergeblich gewarnt. Gesetzliche Probleme gab es auch schon bei Scheuers anderem Vorhaben (PKW Maut), aber der finanzielle Schaden dürfte jetzt noch höher liegen. Man hatte mal mit Kosten von 41 Millionen gerechnet, inzwischen liegen wir bei 325 Millionen.
Und so geht es lustig weiter. Im Gesetzentwurf von 2016 habe der Bund noch mit 630 Millionen Betriebskosten inklusive gerechnet. Leider verrechnet. Im Dezember 2020 waren es dann 1,3 Milliarden, jetzt sollen es dieses Jahr plötzlich noch einmal 400 Millionen mehr sein. Auch wenn diese Information von dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Kindler stammt, man muss sich als Steuerzahler Gedanken machen, mit welcher Unverantwortlichkeit unsere Regierung Steuergelder leichtfertig ausgibt. Gründe werden dafür nicht angegeben.
Aus zahlreichen Beiträgen dieses Blogs wird es zur Gewissheit, Deutschland kann alles, außer Organisation. Dafür sind wir aber Weltmeister im Geld ausgeben, oder sollte man besser sagen: verschwenden. So kritisiert der Bund der Steuerzahler die Luxusbüros, auch die Gehälter des Spitzenpersonals sind völlig überzogen und die Beraterkosten, wir kennen das schon, haben sich auf 130 Millionen verfünffacht.
Es wird eng
In diesem Durcheinander läuft im Moment notgedrungen das Kompetenz-Wirrwarr weiter. Der Bund beauftragt wieder die Länder, Herr Scheuer ist vom eigentlichen Ziel noch weit entfernt.
Der Minister wird zusehends für seine Partei zum Problem. Doch: Parteifreunde mögen ihn, die Kanzlerin soll ihn sogar wirklich schätzen. Nicht so die Presse: schon 2019 nannte Markus Balser von der Süddeutschen den Politiker einen „verantwortungslosen Minister“. Seiner Einschätzung nach betreibe Scheuer „eine Politik, die sich um Recht und Gesetz kaum schert. Und das nur, damit der Wahlkampfschlager der CSU (gemeint war hier die Maut) nicht platzt.“
Damals war die Autobahn GmbH noch nicht bekannt. Dieses Desaster sollte noch kommen. Ein Minister mit Anstand und Haltung wäre längst zurückgetreten, für 9 von 10 Bürgern ist er nicht mehr tragbar.