… und fällt dafür in Ungnade
Ein Interview mit dem Juso-Chef Kevin Kühnert in der ZEIT sorgt endlich einmal für politischen Wirbel besonderer Art. Während die Merkel-Republik mit ihren journalistischen Meinungsbildnern im Wellness-Zustand dahindämmert, verändern im SPD-Lager einige Mutige die Versuchsanordnung zur Ausübung von Politik. So haben Nahles und Arbeitsminister Heil das Ende von Hartz IV eingeleitet und eine Abkehr von Schröders Agenda-Plänen angekündigt. Vorgestellt wurde das neue SPD-Konzept „Sozialstaat 2025“ mit folgenden Neuerungen:
- Hartz IV heißt demnächst Bürgergeld
- Harte Sanktionen für Arbeitslose werden abgeschafft, Menschen unter 25 haben auch dann keine Sanktionen zu befürchten, wenn sie die Auflagen nicht erfüllen
- Arbeitslose erhalten statt nur 12 Monate zukünftig 36 Monate Arbeitslosengeld I
- Der Mindestlohn wird auf 12 Euro erhöht
- Homeoffice soll das Recht des Arbeitnehmers werden
- Kinder erhalten zukünftig eine Grundsicherung
Diesen Plan verteidigte der Juso-Chef Kevin Kühnert, der durch seine harsche Kritik an der erneuten Regierungsbeteiligung seiner Partei wieder in einer GroKo bundesweit bekannt wurde. Die Partei löse sich mit dem Konzept 2025 „aus einer bleiernen Debatte“ kommentierte er seine Zustimmung zum Erneuerungsprogramm. Endlich sei ein Ergebnis erreicht, hinter dem sich die gesamte SPD, Jung wie Alt, versammeln könne.
Ob sich nun hinter seinen Visionen, die er vor einigen Tagen als Juso-Vorsitzender öffentlich machte, die gesamte SPD, Jung wie Alt, versammelt, hat er selbst schon ausgeschlossen. Dabei reicht ein Blick auf die Webseite der SPD-Jugendorganisation, um zu verstehen, wohin Kevins Reise geht.
„Wir wollen den Kapitalismus überwinden und treten für eine andere Gesellschaftsordnung, den Sozialismus, ein“, heißt es da und „Sozialismus ist für uns keine unerreichbare Utopie, sondern notwendig, um die Probleme unserer Zeit zu lösen.“
Dass eine andere Gesellschaftsordnung her muss in dieser Zeit der Superreichen und Superarmen, der höchsten Mieten und niedrigsten Löhne, der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungsstörungen und der politischen Rat- und Hilflosigkeiten, steht außer Frage. Die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz werden nicht danach fragen, ob unsere Gesellschaft darauf vorbereitet ist und die Politik die Weichen dafür gestellt hat.
Da wird es doch wohl einem jungen Wilden, der nur in linken übergroßen Schuhen aufgewachsen ist, erlaubt sein, laut zu denken! Zwar dachte auch ich, dass die Prediger des Sozialismus begriffen hätten, dass stets der Mensch mit seiner Macht- und Geldgier, wenn er beides besitzt, mit Machtmissbrauch und Korruption verhindert, dass Marktwirtschaft, Sozialismus oder Kapitalismus als Gesellschaftsordnung erfolgreich sind.
Ganz im Sinne des Ausspruchs von Winston Churchill, der die Unterscheidung mit folgenden Worten auf den Punkt brachte: „Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die ungleichmäßige Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: Die gleichmäßige Verteilung des Elends.“
Trotz allem muss es erlaubt sein, Visionen, Ideen und Verrücktheiten zu äußern, um endlich die Behäbigkeit und Arroganz von Politikern der Tiefschlaf-Ära Merkel aufzuweichen und das diskussions- und debattenunfähige Deutschland wieder in Schwung zu bringen. Dass dazu Instrumente wie Pauken und Trompeten nötig sind und mit Triangelschlägen und Flötentönen nichts bewirkt wird, hat die Erfahrung gezeigt. So wie ich den Rechtskonservativen erlaube, die Republik aufzumischen, so muss es auch einem jungen Wilden erlaubt sein, ein Solo auf seiner Gedankentrompete zu blasen. Und wenn dieses Solo zum Aufstand gegen die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen, gegen den ungezügelten Kapitalismus und Globalismus und für eine gerechtere Verteilung von Gütern bläst, hat es jedes Recht, gehört zu werden. „Die Maximierung der Leistung, die Optimierung des Einzelnen und die Verherrlichung reicher Menschen sind zur modernen Ideologie geworden, die zu einer völlig verzerrten Wahrnehmung dessen führt, was bei uns eigentlich los ist“, formuliert Nils Minkmar in einem Essay im Spiegel über den Kapitalismus. Schließlich sei nicht Wohlstand nach unserem Grundgesetz das höchste Gut unseres Gemeinwesens, sondern die Menschenwürde. „Ziel des Staates ist nicht, möglichst viele Menschen zu Milliardären zu machen oder eine hohe Wachstumsquote zu erzielen, es ist der Schutz der Menschenwürde.“ Und wie es um diese bestellt ist, formulierte 2017 gegenüber Angela Merkel der Altenpfleger Alexander Jorde zum Thema Menschenwürde im Pflegebereich.
Mich haben nicht die Visionen eines Sozialisten schockiert, sondern die Reaktionen der Kapitalisten. Harsch bis hart, verständlich bis unverschämt, blöd bis arrogant das Getöse um einen, der auszog, das Fürchten zu lehren.
Sigmar Gabriel brüllt mal wieder in vorderster Front, Kühnert sei wie Trump. Kramp-Karrenbauer hält Kühnert vor, populistisch zu sein und ausgerechnet Maschmeyer, der kriminelle „Armmacher“ der Nation, spricht Kühnert jegliche Wirtschaftskompetenz ab. Der Präsident des SPD-Wirtschaftsforums Michael Frenzel fordert sogar den Parteiausschluss von Juso-Chef Kevin Kühnert.
Hysterie als neue Gesellschaftsform, besonders verbreitet bei den Politikern, die statt eines Lächelns oder einer ernsthaften Debatte lieber den Knüppel herausholen und verbal austeilen, was das Zeug hält.
Dank Forsa als dem einzigen Institut in Deutschland, das seit einem Vierteljahrhundert durch tägliche Befragungen ermöglicht, den Einfluss von Ereignissen unmittelbar zu messen und gleichzeitig die Mainstream-Meinung zu zementieren, wissen wir, dass sich durch Kühnerts Offenbarung die SPD-Werte um zwei Punkte verschlechtert haben sollen.
Nichts wird bleiben, wie es ist. Die Welt ist im Wandel und kein Kevin dieser Welt trägt die Verantwortung für den Niedergang der SPD.
Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich,
dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.
Mahatma Gandhi