Erdoğan droht, Kurz warnt, (EU)Merkel zahlt
Vorgestern fanden in Österreich Neuwahlen statt und es sieht danach aus, dass der ehemalige Kurz noch länger bleibt. Ich habe den Ibiza-Skandal, der Kanzler Kurz aus dem Amt gebracht hat, nicht verfolgt, denn immer, wenn eine schonungslose Aufklärung angekündigt wird, heißt das, dass der Fall früher oder später im Sande verläuft.
Spannend war die Wahl auch aus dem Grunde, weil die favorisierte ÖVP wohl auch dieses Mal einen Koalitionspartner für die Regierungsbildung brauchen wird und die „abgesackte“ FPÖ scheinbar nicht zur Verfügung steht. Die Grünen haben auch in Österreich ihren „Greta-Bonus“ eingefahren und so kann es passieren, dass Kurz keine andere Wahl hat, als mit ihnen in eine Regierungsverantwortung zu starten. Es bleibt also weiterhin spannend.
Sebastian Kurz ist für uns heute aber auch deshalb interessant, weil er in seinen Statements vor einer neuen Flüchtlingswelle im Mittelmeer warnt. Während Seehofer eher still und heimlich die Kontrollen an den deutschen Grenzen verstärkt, Merkel im Greta-Getöse abgetaucht ist und Trump zum x-ten Mal seine Präsidentschaft verteidigt, erhebt sich einer der jüngsten Politiker aus einem der kleineren Länder, um Klartext zu reden. „Das Bundeskriminalamt Wien bestätigt, dass sich erneut zahlreiche Flüchtlinge auf der Balkanroute befinden. Alleine Anfang Juni sollen es 80.000 Menschen gewesen sein. Die Zielländer sind Deutschland, Österreich und Schweden. Doch die EU-Staatsoberhäupter schweigen“, war in den Deutschen Wirtschaftsnachrichten zu lesen.
Nachdem der deutsche ergrünte Innenminister Horst Seehofer noch vor kurzem auf Druck zusagte, ein Viertel der Flüchtlinge übernehmen zu wollen, die es nach Italien schaffen, bereitet er sich andererseits schon einmal an den deutschen Grenzen auf den neuen Flüchtlingsstrom vor. Seit Sommer 2018 hatten sich Dutzende deutsche Städte und Kommunen zu „Sicheren Häfen“ erklärt – aktuell tragen dieses selbst verliehene Prädikat 60 Kommunen. Damit dürfte die Frage geklärt sein, ob für die BRD die Flucht über das Mittelmeer eine legale oder illegale Aktion im Sinne der Schleuserkriminalität ist.
Wenn man den Zahlen in BILD glauben darf, wurde Deutschland in diesem Jahr bis Ende August um 26.409 unerlaubte Einreisende reicher. 2018 waren es 42.487. Der Globale Migrationspakt der UN, der im letzten November gegen alle Widerstände in Marokko von Deutschland unterschrieben wurde, diente doch nichts anderem als der Billigung und Legalisierung illegaler Einreisen. Ob nun Seehofers Intensivierung der Grenzsicherung in Anbetracht der nächsten Flüchtlingswelle etwas bewirkt, darf bezweifelt werden.
Sieger auf dem Podest der Flüchtlings- und Geldnehmer war und ist Erdogan, mit welchem Merkel derzeit zur Eigenrettung einen Deal schloss, den die WELT am 16. 3. 2016 detailliert und lesenswert zum Besten gab.
Mehrfach hatte Erdogan gedroht, das mit der EU geschlossene Flüchtlingsabkommen platzen zu lassen. 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge hat die Türkei inzwischen aufgenommen. Seit 2017 besteht von Seiten der Türkei der Wunsch nach einer Sicherheitszone entlang der Grenze unter ihrer alleinigen Kontrolle. Als erstes unterzeichneten Russland, die Türkei und Iran ein Memorandum über die Einrichtung von Schutzzonen in Syrien. Auch die USA befürworteten eine 10 km breite Schutzzone entlang der Grenze, doch Syrien lehnt ein solches Vorhaben bis heute ab. Trotz Syriens Ablehnung haben die Türkei und die USA mit Kontrollgängen begonnen. Ziel ist ein entmilitarisierter Streifen entlang der türkischen Grenze auf syrischem Gebiet. Türkische und US-Militärs würden dabei von Drohnen unterstützt, heißt es.
Es gibt trotz der gemeinsamen Patrouillen kein gutes Verhältnis zwischen den USA und der Türkei. Allein Erdogans Kauf eines russischen Raketensystems sorgte für Unmut und so verweigern die USA den Verkauf moderner Kampfflugzeuge an die türkische Luftwaffe. Für einen weiteren Streitpunkt sorgt die syrische Kurdenmiliz YPG. Während Erdogan sie als Terrororganisation bezeichnet, ist sie für die USA eine Hilfskampftruppe gegen den Islamischen Staat (IS).
Seit Monaten fordert Erdogan wieder Geld von der EU für seine Flüchtlingsunterbringung. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, durfte Griechenland letzten Monat mehr als 8.000 Bootsflüchtlinge aus der Türkei auf Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos aufnehmen. Auf den Inseln brach beinahe wieder Chaos aus, weil die dortigen Aufnahmelager binnen weniger Tage überfüllt waren.
Wer mit Erdogan Geschäfte macht, muss schon nach seiner Pfeife tanzen – und erst recht, wenn der Tänzer eine Tänzerin ist.
Sebastian Kurz lässt sich in der Migrationspolitik nicht beirren, kritisiert Spanien und Italien und Erdogan, der mit üblichen Mitteln seine Ziele zu erreichen sucht. „Wenn ich mir anschaue, wie sich die Politik in Spanien in den letzten Jahren geändert hat, in Richtung wieder mehr offene Grenzen, wenn ich mir anschaue, was jetzt in Italien die neue Linie ist, dass sie dort wieder mehr offene Häfen anvisieren, dann ist das eine Umkehr in der Migrationspolitik“, so Kurz. Dies seien „keine sehr richtigen Signale, die aus Europa in Richtung Afrika, in Richtung der Schlepper gesendet werden.“
Wann endlich, fragt man sich, werden sich die europäischen Staaten auf ein Einwanderungsgesetz verständigen, um endlich das Chaos im Bereich der Flüchtlingsströme zu regeln? In Deutschland feiert man sich ja gerade selber, weil man sich auf ein Fachkräftegesetz geeinigt hat. Das neue Gesetz soll qualifizierte Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland ebnen. Selbst wenn es sich dabei nur um den kleinen Wurf eines allumfassenden großen Einwanderungsgesetzes handeln mag – es geht dabei wie auch bei anderen politischen „(Gesetzes-)Paketchen“ vorrangig darum, den gesellschaftlich angestauten Dampf aus dem sozialen Kessel zu lassen.