Deutsche Bahn AG, Funkloch und Digitales
Mein TV-Kontakt am 20. Dezember mit dem deutschen Bundesminister für Energie und Wirtschaft, Altmaier in der Sendung „Hart aber fair“ ist wegen der Feiertage gänzlich untergegangen. Heute entfalte ich die Papiere auf meinem Schreibtisch und da liegt er plötzlich, der schwergewichtige Peter Altmaier, der seit seiner Begleitschaft der Kanzlerin einer meiner schlimmsten Aufreger war.
Unter dem Thema „Ist Deutschland ein Sanierungsfall?“ parlierten der Bundeswirt-schaftsminister Peter Altmaier, die WDR-Moderatorin Steffi Neu, der Unternehmer und Technologie-Investor Frank Thelen, der Chef des Landtechnik-Herstellers Hermann Lohbeck und Lina Ehrig aus dem Geschäftsbereich der Verbraucherpolitik.
Diese illustre Gruseltruppe sollte über das Funkloch Deutschland und das deutsche Bahndilemma diskutieren. Die gesamte Sendung allerdings sank, je länger sie dauerte, auf das Niveau eines Stammtischgesprächs. Man erwähnte zwar, dass es hier und dort Funklöcher gibt, traute sich auch, die Gefahr zu benennen, dass Deutschland sich in der Gefahr befände, digital abgehängt zu werden – das alles beseitigte allerdings nicht das Lächeln und die gute Laune der Teilnehmer. Ob es um das reduzierte Schienennetz der Bundesbahn, ihre ewige Unpünktlichkeit, ihren Personalmangel oder die sogenannten Konsumschäden wie kaputte Klos oder abgebrochene Tische ging – keine Gründe, Bahnbashing zuzulassen, wie es der Moderator Plasberg formulierte. Altmaier, der behauptete, selber ab und zu mit der Bahn zu reisen, fand die Zustände der Bahn in den 90er Jahren viel schlimmer als heute. „Wenn ich mal im ICE sitze, geht es digital schon ganz klasse.“ Klar, wo keine Ansprüche sind, kann man mit Minimalitäten zufrieden sein. Ich fuhr regelmäßig zwischen Polen und Deutschland mit der Bahn. An geschlossene Toiletten, nicht vorhandene Wagons oder verschwundene registrierte Sitzplätze kann ich mich nicht erinnern. Verspätete Ankunftszeiten bis zu einer Stunde hat es gegeben, über Rückerstattungsformulare, weil wichtige Anschlüsse verpasst wurden und Übernachtungskosten anfielen, redete niemand. Alles hielt sich im menschlich verständlichen Rahmen und Altmeier machte sich mal wieder unqualifiziert lächerlich, was sein Hinweis bestätigte: „Ich bin nicht für den Verkehr zuständig, sondern für die Infrastruktur.“
Wer schenkt diesem Mann, dessen einzige Kompetenz das „Merkelverstehen“ ist, einmal eine Fahrkarte durch unser Nachbarland Polen, in dem er lernen kann, was erfolgreiche Netzversorgung und Infrastruktur bedeuten.
Wer diese Sendung sah, hatte Kabarett pur, durfte sich von gutgelaunten Frohgeistern unterhalten lassen und sich wieder einmal fragen, ob die Stammtischbrüder und Stammtischschwestern in dieser Folge von „Hart aber fair“ das angemessene Gremium waren, um den Sanierungsfall Deutschland mit deutlicher Kritik zu versehen.
In einem Gespräch mit einer Bottroperin erfuhr ich, dass es keine günstige Zugverbindung für ihre in Ausbildung befindliche Tochter gibt, die zur Berufschule nach Dortmund fahren muss. 60 Euro kostet eine Monatskarte, weil dieser Streckenbereich nicht von der „Deutsche Bahn AG“ abgedeckt wird, sondern von einem der Parallelunternehmen. Daraufhin habe ich mich für die Konzernstruktur interessiert und bin der Frage nachgegangen, was noch von der guten alten Deutschen Bundesbahn übrig geblieben ist. Nichts, wie ich feststellen musste. Im DB Konzern sind insgesamt 579 Unternehmen im In- und Ausland mit Mehrheitsbeteiligung von 50% und mehr. An weiteren 123 Unternehmen ist sie mit Minderheitsanteilen beteiligt. (Stand 2009).
Im Zuge des geplanten Börsengangs der DB wurde die Konzernstruktur des Deutsche Bahn Konzerns (DB Konzern) im Jahr 2008 neu aufgestellt. Unter dem klug-modernen Namen DB Mobility Logistics AG wurde das gesamte Bahnkonsortium in zig Einzelteile gespalten, geteilt und zersplittert. Aus dem Personenverkehr wurde DB Bahn, DB Netze, DB Schenker. Weitere Geschäftsfelder entstanden mit den Bezeichnungen DB Netze Fahrweg, DB Netze Personenbahnhöfe und DB Netze Energie, DB Bahn Fernverkehr, DB Bahn Regio, DB Arriva, DB Schenker Rail, DB Schenker Logistics und DB Dienstleistungen.
Ist das nicht eine hervorragende Methode, Arbeitsplätze zu schaffen und Vorstände zu kreieren? Muss man sich da noch wundern, dass sich niemand der Zersplitterten mehr für etwas zuständig erklärt und Verantwortlichkeiten weiterschiebt? Meine Frage an einen Security-Mitarbeiter der Bahn, ob denn die Fahrpreise, Gehälter und Dienstpläne in den verschiedenen Unternehmen des Bahn Konzerns vergleichbar wären, beantwortete der mit einem augenrollenden „Nein“.
Nachdem feststand, dass der geplante Börsengang nicht realisiert wird, wurde im Juli 2015 damit begonnen, die DB Holding wieder umzubauen. 2016 wurde die DB Mobility Logistics AG schließlich auf die Deutsche Bahn AG verschmolzen.
Lesen wir doch zu dieser Gruselgeschichte einmal die Worte der deutschen Kanzlerin, die in der 2014 erschienenen Broschüre „20 Jahre Bahnreform und Deutsche Bahn AG / Erfolge und künftige Herausforderungen“ das erste Wort hat.
„Die Deutsche Bahn AG ist ein junges und dennoch traditionsreiches Unternehmen. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit findet ihre Auflösung in der Bahnreform von 1994. … Heute wissen wir, dass die Weichen vor 20 Jahren richtig gestellt wurden. … Um den Schienenverkehr stets an den Kundenbedürfnissen ausrichten und mehr Verkehr auf die Schiene bringen zu können, bedarf es zweifellos auch verlässlicher Rahmenbedingungen. Dazu gehört, hinreichend hohe Investitionen für ein gut ausgebautes Schienennetz sicherzustellen. Die Bundesregierung weiß hierbei um ihre Mitverantwortung. Schließlich ist die Qualität der Schieneninfrastruktur nicht nur maßgebend für die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene, sondern auch sehr bedeutsam für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa.
Der Europäischen Kommission ist hoch anzurechnen, dass sie sich für einen ungehinderten, grenzüberschreitenden und diskriminierungsfreien Bahnverkehr in Europa einsetzt. … Nun gilt es, an den hart erarbeiteten Erfolgen der vergangenen 20 Jahre anzuknüpfen. Ob mit Blick zurück oder mit Blick nach vorn – aus vielen guten Gründen können wir uns über die gelungene Bahnreform von 1994 freuen.“
Am 16. 12. 2018 heißt die Antwort auf Merkels Jubiläumsrede im Manager Magazin: „System steht kurz vor dem Kollaps / Politik fordert Radikalumbau der Deutschen Bahn“.