Vergangenheitsbewältigung

Polens steiniger Weg

Deutschland hat sich in Sachen Vergangenheitsbewältigung nach dem Krieg äußerst schwer getan, gerade weil ein von Hitler fanatisiertes Volk nicht mit einer Spontanheilung rechnen konnte. Die giftige braune Farbe war einfach nicht wegzubekommen und Schlieren von ihr durchzogen noch über Jahrzehnte Parlament, Parteien und Institutionen. Das Büßerhemd tragen wir Deutsche bis heute und so haben beispielsweise unsere polnischen Nachbarn auch aus der großen deutschen Schuld ihr Opferrollenhemd gestrickt. So passt auch zusammen, dass im polnischen Geschichtsverständnis die Lager in Auschwitz jahrzehntelang in erster Linie polnisches Leid bedeuteten und Geschichtsbücher und Lehrpläne diese Sicht der Geschichte zementierten.

Ich war 2008 zur Zeit meiner künstlerischen Aufenthalte in Polen das erste deutsche Mitglied der TPN (Polnisch-deutsche Gesellschaft) und erlebte die große Aufregung mit, die das Buch „Fear: Anti-Semitism in Poland After Auschwitz“ auslöste, welches das Pogrom von Kielce am 4. Juli 1946 zum Gegenstand hat. Der Autor Jan Tomasz Gross wurde in Polen geboren und emigrierte nach Amerika. Gross ist keineswegs der Einzige, der in seinen Büchern den Antisemitismus in Polen und die Nachkriegs-Pogrome thematisiert, aber er ist das Enfant terrible für die nationalkatholischen Polen und ihre politischen Vertreter, deren Medien mit Ablehnung und Empörung reagierten. „Es geht hier um nichts sonst, nur darum, dass die Sünde beim Namen genannt wird“, formuliert Gross, dem für Verdienste um die Verständigung zwischen Polen und anderen Nationen 1996 der Verdienstorden der Republik Polen verliehen wurde.
Doch dann ging 2001 Jedwabne um die Welt, der Name einer Kleinstadt, in der 1941 die jüdische Bevölkerung von ihren polnischen Mitbürgern in eine Scheune getrieben und bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Ähnliche Pogrome fanden in 23 weiteren Städten und Dörfern 1941 statt. Gross begründet die Judenmorde in Polen nach dem Krieg mit der Angst vor jüdischen Rückkehrern und dem verdrängten Schuldbewusstsein derjenigen, die an der Vernichtung der Juden mitbeteiligt waren oder sich an der Übernahme jüdischen Eigentums bereichert hatten.

Nun ist für Jan Tomasz Gross die Zeit der Abrechnung gekommen. Lange genug hat er mit seinen Büchern an den Gewissen der nationalkatholischen Polen gerüttelt. Jetzt sitzen sie im Parlament auf sicheren Stühlen und kein Geringerer als der rechtsnationale Präsident Andrzej Duda wird die Entscheidung darüber treffen müssen, ob Gross der verliehene polnische Verdienstorden wieder aberkannt werden soll. 4.000 Unterschriften hat die „Polnische Diffamierungsliga“ schon gesammelt, nachdem Gross Ende des letzten Jahres noch das Pünktchen auf das „i“ gesetzt hatte, indem er in einem Artikel in „Die Welt“ die „europäischen Werte“ Polens angesichts der Flüchtlingskrise hinterfragte.

Anmerkung: Dieser Blog-Beitrag entstand, nachdem mir der Brief der polnischen Diffamierungsliga, auch „Festung für den guten Ruf Polens“ genannt, übermittelt worden war, der in vier Sprachen an alle europäischen Medien versendet wurde.

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