Deutschlands Infizierung
Eine Woche Urlaub leistete ich mir nach Abgabe meiner Briefwahlunterlagen zur Kommunalwahl in NRW. Ich nutzte die Zeit dazu, das schöne Moseltal zu durchschiffen und zu durchwandern. In der Zwischenzeit überschlugen sich die politischen Ereignisse und die Nacharbeit schockierte mich.
- Der Oppositionelle Alexej Nawalny, dessen Vergiftung Putin angelastet wird, wurde in die Charité nach Berlin verbracht, wo er inzwischen wieder Fototermine gibt und verlautbaren ließ, wieder nach Russland zurück zu wollen. Der deutsche Außenminister Maas droht seitdem Russland mit dem Stopp von Nord Stream 2. Nachdem Merkel anfangs keinen Zusammenhang zwischen Nawalny und Nord Stream 2 herstellen wollte, tauchte sie nach diesem Statement mal wieder unter, um Zeit zu schinden. Die USA sind gegen den Bau, um ihr Fracking nach Europa zu bringen. Sollte Deutschland den Bau weiter betreiben, bedeutet das für beteiligte deutsche Firmen das Aus im Handel mit den USA. Das weiß auch Merkel und wird versuchen, die Entscheidung bis nach der Präsidentschaftswahl in den USA hinauszuzögern in der Hoffnung, dass sie Trump endlich los wird. Derweil schreien die Grünen und die SPD nach dem Abbruch des Weiterbaus, um Putin für seinen Umgang mit Oppositionellen – insbesondere hier Nawalny – zu bestrafen. Auch Röttgen, ebenfalls Bewerber für den CDU-Vorsitz, plädiert für die Beendigung des Projektes. Nur noch gut 150 Kilometer der insgesamt 2360 Kilometer langen Stränge der Pipeline fehlen. Und beim Stopp fehlen dann auch noch 10 Milliarden Euro, die an Kosten schon geflossen sind. Weiterhin müssten die bereits aufgelaufenen Kosten für die Anbindungspipelines von vier Milliarden Euro von den Gaskunden gezahlt werden, ohne dass diese genutzt würden. Rund 120 Unternehmen aus zwölf europäischen Ländern seien direkt am Bau und Betrieb der Pipeline beteiligt. Gas aus Russland ist auf dem Markt billiger als etwa Fracking-Gas aus den USA. Russland ist nach Angaben von „Zukunft Erdgas“ der größte Importpartner der EU mit einem Anteil von rund 38 Prozent, danach folgt Norwegen mit rund 25 Prozent.
- „Kommunalwahlen von Grauen Wölfen unterlaufen“ war zu lesen und bei genauerer Recherche erfuhr ich vom Putsch beim Mülheimer Bündnis für Bildung. Zwei Listenkandidaten, die im Vorstand der Grauen Wölfe sind, verließen die Fraktion. In Duisburg wird einem Ratsherrn nachgesagt, den rechtsextremen Grauen Wölfen nahe zu sein. „Gewaltbereite Erdogan-Fans wollen in die NRW-Stadträte – und das nicht mit offenen Karten“ berichtet der Merkur am 13. 9. Ihr Ziel ist nichts weniger als ein großtürkisches Reich zu errichten und politische Gegner zu eliminieren. Ihr Symbol ist ein Wolf – als Zeichen für Stärke und Aggressivität. 20.000 türkische Ultranationalisten sind in Deutschland zu finden. Getarnt in harmlos klingenden Vereinsstrukturen, unterwandern sie seit Jahren die deutsche Parteipolitik – von der Öffentlichkeit fast unbeobachtet. Um den Nachwuchs kümmern sich Jugendeinrichtungen, die mit Koranunterricht und Kampfausbildung Perspektiven bieten. Sie fördern eine radikale Jugend, die zu „Gotteskriegern“ ausgebildet werden. Kurden gelten als ihre Feinde, auch Frauen, die sich etwas mehr emanzipieren wollen, sind ihnen ein Dorn im Auge.
- Frau von der Leyen hielt „ihre Rede zur Nation“. Es gehe zukünftig um eine systemische Modernisierung unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Die Kommission wird die Klimaziele verschärfen. In den nächsten zehn Jahren sollen die Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 55 Prozent reduziert werden. Dazu seien einschneidende zusätzliche Anstrengungen nötig für mehr erneuerbare Energien und im Verkehr. Das Ziel ist, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent ist.
Als weiteres Ziel nannte sie die Einigung über eine europäische Verteilung der Flüchtlinge. Das brennende Moria habe gezeigt, dass dies Thema einer dringenden Lösung bedarf. Die Seenotrettung zum Beispiel dürfe niemand in Frage stellen. Man habe aus Corona gelernt, dass die Abschottung aufs Nationale keinen Sinn macht.
Die wichtigste Stelle war für mich in diesem Zusammenhang die folgende Aussage: Zugleich sei es aber auch ein Moment, an dem man sehen könne, dass die Menschen bereit seien, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Corona böte eine Chance, „Veränderung bewusst“ zu formen. „Rockefeller, ik hör dir trapsen“, dachte ich, der zu Lebzeiten die große Krise der Menschheit herbeisehnte. Jetzt war sie da und er durfte sie nicht mehr erleben. Ermüdend von der Leyens weitere Rede und wie immer „viel Lärm um nichts“, empfand ich. Norbert Haering allerdings sieht in von der Leyens Rede noch eine weitere Gefahr auf uns zukommen. Aufgeweckter und interessanter hörte sich da die kurze Widerrede des Herrn Meuthen an, die ich hier zur Auflockerung beimische.
- Eine Brandstiftung im griechischen Flüchtlingslager in Moria durch die dortigen Bewohner ließen das Flüchtlingsthema wieder aufflammen. Innenminister Seehofer tauchte aus der Versenkung auf und war sofort bereit, 150 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Städte signalisierten ihre Bereitschaft zur Aufnahme der Menschen und Seehofer erhöhte dann stetig seine Aufnahmezahlen, bis er – wie auch immer – auf 1.553 Menschen kam, die Deutschland nun von den griechischen Inseln aufnehmen will. Kritiker und die Opposition sprachen die Warnung aus, dass das als Signal verstanden werden könne, durch Brandstiftung den Weg nach Europa, vorrangig nach Deutschland zu erpressen, doch wo fällt in einer Gesinnungsdiktatur Vernunft noch auf fruchtbaren Boden?
In einem Land ohne Tatsachen und Wahrheiten breiten sich nur noch Meinungen aus, die gebetsmühlenartig verbreitet werden und sich als geistiger Müll in den Hirnen der Gleichgültigen und Unwissenden niederlassen.
- Über 3.000 Menschen haben sich in China mit Brucellose infiziert. Der Erreger soll sich aus einem staatlichen Labor, das Impfstoffe für Tiere herstellt, verbreitet haben. Das Brucella-Bakterium kann Fieber, Gelenk- und Kopfschmerzen auslösen. Hinweise auf eine mögliche Übertragung von Mensch zu Mensch gebe es derzeit nicht, heißt es. Zehn Sätze weiter ist in demselben Beitrag des Focus zu lesen: „Nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde CDC kommt eine Übertragung von Brucella von Mensch zu Mensch ‚extrem selten’ vor. In manchen Fällen nistet sich der Erreger dauerhaft im menschlichen Organismus ein und verursacht lebenslang Symptome wie chronische Müdigkeit, Herzprobleme oder Arthritis. Noch hatte Jens Spahn nicht seinen Auftritt mit den Worten: „Grundsätzlich sind wir wachsam, wir nehmen die Dinge sehr ernst, wir sind aber auch gut vorbereitet.“
- Der preisgekrönte Ordinär-Satiriker Böhmermann hatte mal wieder seinen Auftritt mit einer Kritik an Seehofer mit den Worten „Fick dich, Opa!“ Grund für die Wut Böhmermanns war das Statement Seehofers zum Skandal um rechtsextreme Chatgruppen innerhalb der Polizei in NRW. Böhmermann löschte nach einer Zeit den Tweed wieder und entschuldigte seine Beleidigung gegen Seehofer damit, er wäre so traurig und verzweifelt gewesen. Fünf Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten waren aufgedeckt worden. 30 Polizisten wurden vorläufig vom Dienst suspendiert. 14 sollen endgültig aus dem Dienst entfernt werden. Die SPD sprach sich für eine Studie zu Rassismus in der Polizei aus – das auch notfalls im Alleingang.
- Olaf Scholz stand im Fokus eines Cum Ex-Steuerdeals in Hamburg zur Zeit, als er dort Erster Bürgermeister war. Hamburgs Finanzamt ließ eine Millionenforderung gegen die Warburg-Bank verjähren. Das wirft bis heute Fragen auf nach der Rolle von Scholz, der sich mehrfach mit dem Mitinhaber der Warburg-Bank, Christian Olearius , getroffen habe. Konkrete Erinnerungen daran habe er jedoch nicht, verkündete Scholz in einer Fragestunde des Parlaments. Banker und Anwälte hatten sich durch eine Gesetzeslücke durch sogenannte CumEx-Geschäfte allein zwischen 2001 und 2010 aus der Kasse des deutschen Staates mindestens 10 Milliarden Euro erschlichen. Nicht allein diese Organisierte Kriminalität gilt als Skandal unbeschreiblichen Ausmaßes in der deutschen Steuergeschichte. Selbst das Desinteresse an einer Aufarbeitung, an der Verfolgung der darin Verwickelten und daran Beteiligten hat Skandalcharakter erreicht. Personell schlecht aufgestellt und unwillig, sich mit einer anwaltlichen Übermacht auseinanderzusetzen, läuft alles der Verjährungsfrist entgegen. Während Scholz sicher auch zum Zeichen seines guten Willens inzwischen für ein Lobbyregister spricht, stimmt Merkel einem solchen fürs Parlament zu, lehnt es aber für Regierungsmitglieder ab. Da sei alles transparent genug, meint sie. Ja, so transparent wie der Regierungsskandal, einer Spitzel-Organisation wie der Amadeu-Antonio-Stiftung sowohl Geld als auch Unterschriften von Regierungsmitgliedern zur Verfügung zu stellen. Wohin die Reise auch mit dem nächsten Skandalpapier dieser Stiftung geht, wird schon durch den Titel deutlich. „DERADIKALISIERUNG bedeutet INFEKTIONSSCHUTZ / Maßnahmen zur Eindämmung verschwörungsideologischer Radikalisierung im Zuge der Corona-Pandemie.“
- Vor 80 Jahren hätte dieses Pamphlet wohl so geklungen: ENTLAUSUNG bedeutet INFEKTIONSSCHUTZ / Maßnahmen zur Entwürdigung von Untermenschen im Zuge der Endlösung